Universalmuseum Joanneum GmbH

Forscher finden erstmals 13 Mio. Jahre alte Muschellarven am Amazonas

 

Wissenschaftlern gelang im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes des Universalmuseums Joanneum und der Karl-Franzens-Universität Graz der Fund von rund 13 Millionen Jahre alten Muschellarven am Amazonas. Bei diesen wenig erforschten Fossilien handelt es sich um den bisher ältesten Fund, der von großer evolutionsbiologischer Bedeutung ist.

Geländearbeit am Amazonas,

Geländearbeit am Amazonas, Foto: W. E. Piller

Etwa sechs Wochen lang forschten die Paläontologen der Sammlung Geologie & Paläontologie des Universalmuseums Joanneum im peruanischen Amazonasgebiet. Sie entnahmen an zahlreichen und zum Teil nur per Boot erreichbaren Orten Gesteinsproben, deren Alter und Entstehungsbedingungen erforscht werden sollten. 

 

„Der Fund ist von großer biologischer Bedeutung, weil diese fossile Larven (sogenannte Glochidien) bisher eigentlich unbekannt sind. Nur durch diese speziellen Larvenstadien konnten sich Süßwassermuscheln weltweit verbreiten, sind aber auch gerade deswegen heute stark gefährdet“, betont der Leiter des Projektes Martin Gross.

 

Winzige Larven mit 13 Millionen-jähriger Geschichte

In der Nähe des direkt am Amazonas und etwa 55 km südlich von Iquitos gelegenen Dorfes Porvenir fanden sie tonige und sandige Gesteine, die zum Teil massenhaft fossile Schnecken und Muscheln beinhalteten. Nach Auflösung der Gesteinsproben im Labor und Begutachtung des Rückstandes unter dem Mikroskop fanden sich sehr kleine kalkige Schalen, die eindeutig als Larven von Süßwassermuscheln (Unioniden) identifiziert werden konnten. Das Alter dieser gerade einmal 0,3 mm großen Glochidien wurde auf rund 13 Millionen Jahre datiert.

 

Unioniden sind bekannt als „Süßwassermuscheln“ und in Seen, Flüssen und sogar in heimischen Gartenteichen zu finden. Diese Gruppe von Muscheln gibt es seit über 220 Millionen Jahren. Eine Besonderheit der Unioniden ist ihre komplexe Fortpflanzung: Ihre befruchteten Eier wachsen in den Kiemen der Muttermuscheln zu Larven (Glochidien) heran, die sich als Parasiten an Fischen festheften und dort zu jungen Muscheln reifen. Es wird angenommen, dass sich diese Art der Fortpflanzung schon vor Hunderten von Millionen Jahren entwickelt hat, dennoch gibt es nur wenige Fossilfunde von Larven, die zudem bisher kaum wissenschaftlich beschrieben worden sind. Diese winzigen, nur schwach verkalkten Glochidien sind sehr anfällig, im Zuge der Fossilisation durch Zerbrechen oder Auflösung zerstört zu werden. Die bisher ältesten belegten Nachweise wurden deswegen lediglich in sehr jungen Gesteinen gefunden und sind „nur“ etwa 120.000 Jahre alt.

Schale (Gattung Diplodon) des möglichen Erzeugers der Muschellarven,

Schale (Gattung Diplodon) des möglichen Erzeugers der Muschellarven, Foto: M. Gross

220 Millionen Jahre Evolutionsgeschichte

Der Fund wirft ein neues Licht auf die Evolution dieser Weichtiere, die wichtiger Bestandteil von Süßwasser-Ökosystemen sind. Sie verbessern die Wasserqualität und die Sauerstoffversorgung am Gewässerboden und sind durch Speicherung und Aufbereitung von Nährstoffen wichtiger Teil der Nahrungskette.

 

Interessanterweise fehlen den fossilen Amazonas-Glochidien „Haken“ am Schalenrand, die eindeutig eine parasitische Lebensweise belegen würden. Einige heute lebende Arten von Diplodon (eine südamerikanische Süßwassermuschelgattung) sind ebenfalls „hakenlos“ und parasitieren nicht an Fischen. Bisher betrachtete man den Verlust der Haken als eine spezielle, sekundäre Anpassung. Die nun vorliegenden Fossilfunde könnten aber auch darauf hinweisen, dass die Haken eine sehr junge evolutionäre Entwicklung sind und damit – möglicherweise – auch das Parasitieren an und die Verbreitung der Unioniden mit Fischen.

 

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Weiterführende Informationen sowie Bildermaterial zum Download finden Sie unter: Muschellarven am Amazonas

 

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Wir freuen uns über Ihre Berichterstattung und stehen für Rückfragen sehr gerne zur Verfügung.
Anna Fras und Marion Kirbis