5. Bauern – Warum wissen wir so wenig über 90 % der Bevölkerung?

In unseren Sammlungen finden sich keine Objekte zur mittelalterlichen bäuerlichen Bevölkerung. Dies hat damit zu tun, dass sich ihre hölzernen Alltagsgüter mit der Nutzung verbraucht haben bzw. dass sie aufgrund minderer Qualität und Ästhetik als „nicht sammelwürdig“ erachtet wurden. Über die Bauern als größte gesellschaftliche Gruppe der Zeit erfahren wir so z.B. aus Urkunden, wo sie „Gegenstand“ von Rechtsgeschäften sind.

 

Was wissen wir über die Bauern und ihre Familien? Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit sind die Bauern die „Lasttiere“ der Gesellschaft. Ihre Rolle ist es, zu arbeiten. Zu Beginn sind sie Leibeigene ihrer Grundherren. Im 12.Jahrhundert werden sie zu „minderfreien Untertanen“, stark abhängig, aber nicht gänzlich der Willkür ihrer Herren ausgesetzt.

 

Grundherrschaft bedeutet, dass sich das Land im Eigentum einiger weniger Adeliger, Klöster und später wohlhabender Bürger befindet. Sie stellen ihr Land den dort ansässigen Bauern für jeweils ein Jahr zu Verfügung, anfangs ohne Garantie auf Verlängerung. Veräußert ein Grundherr sein Land, verkauft, verschenkt, vererbt er die Bauern mit. Der Grundherr ist auch Richter und er entscheidet, ob jemand heiraten oder die Grundherrschaft verlassen darf.

 

Ausgenommen von der bäuerlichen Nutzung sind das Jagd- und Fischrecht. Wilderei wird, wie im St. Lambrechter Stiftsurbar von 1494 zu lesen, mit dem Verlust des Augenlichts bestraft. Frei, sogar bei Strafe verpflichtend, ist nur die Jagd auf Wölfe, Bären und Luchse. Als Gegenleistung für die Nutzung des Bodens haben die Bauern Abgaben zu leisten. Anfangs sind dies Naturalien wie Eier, Käse, Hühner, ab dem 13.Jahrhundert schrittweise auch Geldleistungen. Dazu kommt der – ebenfalls in seinem Ausmaß definierte – Arbeitsdienst in Form von Feld- und Holzarbeiten, der Straßen- und Brückenerhaltung oder von Kriegsdienst.

 

Zu ihrer Verpflichtung gegenüber dem Grundherrn haben die Bauern eine Steuerpflicht gegenüber dem Landesherrn. Ursprünglich im Bedarfsfall – bei Kriegsgefahr oder einer Prinzessinnen-Hochzeit – eingehoben, werden Steuern um 1500 zur ständigen Einrichtung.

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24. bis 25. Dezember 2023