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Mit Ingrid Wiener, Martin Roth und Isa Rosenberger beginnt das Kunsthaus Graz das Jubiläumsjahr

01.02.2023

Die beiden aktuellen Ausstellungen im Kunsthaus Graz zeigen drei wichtige österreichische Positionen, die sich mit der Erweiterung gesellschaftlicher Übereinkünfte beschäftigen: Ingrid Wiener, Martin Roth und Isa Rosenberger. Während im Space01 die Arbeiten von Ingrid Wiener und Martin Roth den Begriff der Umwelt neu sichten, wird im Space02 Isa Rosenbergers historiografischer künstlerischer Zugang zu sehen sein.

Stadtrat Günter Riegler, Dir. Andreja Hribernik, Kuratorin Michaela Leutzendorff Pakesch, Künstlerin Ingrid Wiener, Kuratorin Katrin Bucher Trantow, Künstlerin Isa Rosenberger, Kuratorin Barbara Steiner, Kuratorin Alexandra Trost, v.l.n.r., Foto: Kunsthaus Graz / J.J. Kucek

Den Beginn im Jubiläumsjahr des Kunsthauses Graz 2023 machen die Ausstellungen Ingrid Wiener, Martin Roth. Von weit weg sieht man mehr und Isa Rosenberger. Schatten, Lücken, Leerstellen.

 

Die bisher umfassendste Einzelausstellung der Künstlerin Isa Rosenberger im Space02 zeigt neben sechs älteren Arbeiten eine Neuproduktion, die als Koproduktion mit der Stiftung Bauhaus Dessau entstanden ist. Zusammen bilden Rosenbergers Filminstallationen das inhaltlich-visuell-räumliche Gerüst der Ausstellungsszenografie.
 

Historiografischer Blick

Isa Rosenbergers künstlerisches Interesse ist historiografisch. In ihren filmisch-installativen Arbeiten zeigt sie, wie man vergessenen, verdrängten oder marginalisierten Geschichten Raum und Sichtbarkeit geben kann. Lücken und Leerstellen sind dabei werkkonstitutiv und bleiben sichtbar. Bei den im Kunsthaus Graz gezeigten Arbeiten liegt der künstlerische Fokus auf feministischer Geschichte, jüdischer (Frauen-)Geschichte sowie auf ökonomischen und politischen Transformationsprozessen. Die Filme sind mehrschichtige, multiperspektivische Collagen von Recherche- und Archivmaterial, dialogischen Formaten sowie performativ-tänzerischen Annäherungen und (Wieder-) Aufführungen. 

 

Rosenberger arbeitet oft über einen längeren Zeitraum an ihren Projekten. Neben der Recherche ist ihr dabei die Zusammenarbeit mit Akteur*innen wichtig, die als Protagonist*innen zu Mitwirkenden ihrer Arbeit werden und mit denen sie – wie sie sagt – temporäre Allianzen eingeht. Sie knüpft an konkrete Biografien an und interessiert sich besonders für widerständige Momente, für die Wechselwirkung zwischen Individuen und dem gesellschaftlichen Rahmen. Zusätzlich geht es in ihren Arbeiten auch um die Symbolik von gesellschaftspolitisch relevanten Orten. In der filmischen Umsetzung bedient sich Rosenberger des Prinzips der Montage, das verräumlicht auch auf die Ausstellung übertragen wird: Bühnenelemente, Vorhänge und Möbelstücke, Filmprojektionen und Fotografien sind bei ihr Werkbestandteile und gleichzeitig strukturierende Elemente der Ausstellung. Der Space02 wird zur szenografischen Bühne, zum performativen Raum, in dem sich Werk, Display und auch Rahmenprogramm verzahnen.

Am 09.02.2023 wir die Ausstellung "Isa Rosenberger. Schatten, Lücken, Leerstellen" feierlich eröffnet, Foto: Kunsthaus Graz / J.J. Kucek

Ingrid Wiener und Martin Roth: zwei Künstler*innen-Generationen
Mit der Ausstellung Ingrid Wiener, Martin Roth. Von weit weg sieht man mehr werden zwei Künstler*innen zweier Generationen präsentiert – und dabei zwei große institutionelle Retrospektiven, die sich in ihren konzeptuellen Ansätzen ergänzen und an der Zentralperspektive auf den Menschen rütteln. „Das Zentrum gibt es nicht mehr“, sagt Rosi Braidotti, die große Philosophin des Posthumanen. Dafür gibt es den Faktor Zeit und eine drängende Frage der solidarischen Verantwortung der Einzelnen.

In den Werken von Ingrid Wiener und Martin Roth wird die Um-Welt als wachsende Symbiose gesehen. Disziplinen werden dabei befragt, ausgeweitet und verwoben. Die eine webt, was sie sieht, sie zeichnet und schreibt, was sie träumt, macht Fotos aus dem Flugzeug und ist berühmt für ihre Küche. Der andere, fast zwei Generationen jünger, beginnt mit der Malerei, weitet sie aus, baut Landschaften und widmet sich der Konzeptkunst und Minimal Art aus der Perspektive alles Lebendigen. Teppiche, bewachsen mit Gras, Tiere als Arbeiter künstlich sauberer Welten, Enten, die das Studio vermessen. Was beide Positionen eint, ist der inkludierende und ewig staunende Blick aus der Distanz.

 

Die Ausstellung im Kunsthaus Graz fügt Arbeiten von Ingrid Wiener und Martin Roth zu einer Welt der wundersamen Netzwerke jenseits des Anthropozentrismus zusammen. Sie zeigt Ingrid Wieners Traumzeichnungen, viele ihrer wichtigsten Gobelins von 1985 bis 2023, aber auch eine Serie von Fotos und verschiedene Filme, die im Austausch mit anderen und ihrer unmittelbaren Umgebung entstanden sind. Wieners Arbeiten wird eine Reihe interaktiver und reaktivierter Soundinstallationen, Filme und zweidimensionaler Arbeiten von Martin Roth gegenübergestellt, der in seinem Kunstschaffen bis 2019 dem Organischen – dem Tier und der Pflanze – tragende Rollen einer Mitarbeit überträgt.

 

Martin Roths Installationen und Interventionen zwischen Kunst und Natur

Der viel zu früh verstorbene österreichische Künstler Martin Roth erregte mit ortsspezifischen Installationen und Interventionen zwischen Kunst und Natur internationale Aufmerksamkeit. Seine ephemeren und temporären Räume, teilweise apokalyptisch-dystopische Szenarien aus Schutt, Ziegeln oder Zivilisationsabfällen, sind kritische Untersuchungen einer Gesellschaft des Überflusses und der Privilegien. Ohne Titel (Bonsai), das erste Werk der Ausstellung von Martin Roth, thematisiert eben diese Kultivierung. Die zweiteilige Arbeit besteht aus einem minimalistisch inszenierten Bonsai und einer von Tieren im Untergeschoss des Kunsthauses musikalisch beschallten Soundkulisse. Hier werden Konsequenzen der Domestizierung offenbar, die das Augenmerk auf unsichtbare Mitarbeiter der kulturellen Produktion richten. In der Reaktivierung dieser Arbeit für das Kunsthaus sind die Tiere aus Gründen des Tierschutzes nur für kurze Zeit im Haus. Nach dem Leben im Käfig finden sie in der Tierwelt Herberstein einen artgerechteren Platz. In der Kunstinstitution verbleibt danach die akustische Aufnahme und die Vermittlungsdiskussion rund um Lebensbedingungen von Lebewesen im breiten Programm

Im Space01 werden zwei Künstler*innen zweier Generationen gezeigt: "Ingrid Wiener, Martin Roth. Von weit weg sieht man mehr", Foto: Kunsthaus Graz / J.J. Kucek

Ingrid Wieners Praxis des Webens

Über die Jahrzehnte übte Ingrid Wiener an allen Lebensorten die Praxis des Webens aus und stellte zahlreiche Gobelins her, wobei sie das Sehen in den zeitintensiven Prozess des Webens integrierte. Ingrid Wiener hat dabei eine spezifische, die Möglichkeiten einer abbildenden Malerei erweiternde Technik als ein „Durch-die-Kette-Sehen“ geschaffen. Hier wird nicht nur der stets versetzte Blick, sondern auch das Weben selbst als Prozess abgebildet. Den Auftakt der Ausstellung bildet dementsprechend – Wieners inklusives Sehen ihrer Umwelt widerspiegelnd – das bedeutende Werk Windowview (1985–87), das den malerischen Topos des Blicks aus dem Fenster überspitzt und durch den Aspekt der Zeit zu einem multifokalen Sehen erweitert.

Seit 1995 beschäftigt sich Ingrid Wiener in Aquarellen mit Vorstellungsbildern im Traum. Ihre filigranen Zeichnungen auf Papier, mit Aquarellfarbe leicht und fragmentarisch gemalt, halten heiter ein Verrinnen dieser Bilder fest. Einem künstlerischen Trümmerfeld von Martin Roth gegenüber steht ihre monumentale Zusammenarbeit mit Dieter Roth (1991–1996). 64 Einzel-Gobelins – das Ergebnis eines Briefwechsels zwischen Kanada und Island – werden hier zum Monument der Inklusion des Alltäglichen. Hier sammelt sich alles, der flache Abfall ebenso wie die Blicke aus dem Fenster und in die Vergangenheit.

Ein Teil der Ausstellung ist Wieners Leben in Alaska gewidmet, wo sie mächtige, aus dem Flugzeug heraus fotografierte Naturlandschaften porträtiert, hinter der Kamera und am Webstuhl den Menschen in seiner Abenteuerlust feiert und ihn gleichzeitig klein und vergänglich werden lässt.

 

Die aufwendigen Web- oder Soundarbeiten, die im Ausstellungsraum verwoben werden, verweisen damit nachdrücklich auf die Dimension der Zeit. Künstlerisches Arbeiten zeigt sich hier als forschender Prozess: So ziehen sich die Themen des stetigen Entwickelns, Umsorgens und Zusammenwirkens durch beide Werkkomplexe hindurch. Die Schau schafft so einerseits einen künstlerischen Dialog über künstlerisches Schaffen jenseits tradierter Wertvorstellungen und andererseits eine Symbiose des Lebendigen, in der sich Zeit, Raum und Materie verbinden.

Beide Werkkomplexe stehen für das Vereinen des vermeintlich Unvereinbaren bilden auch ein Plädoyer für eine solidarische und offene Gesellschaft über starre Hierarchien und Grenzziehungen hinweg.

 

 

 

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Ingrid Wiener, Martin Roth

Von weit weg sieht man mehr

Eröffnung: 09.02.2023, 18 Uhr

Laufzeit: 10.02.–21.05.2023

Kuratiert von Katrin Bucher Trantow, Michaela Leutzendorff Pakesch

Ort: Space01

 

Isa Rosenberger

Schatten, Lücken, Leerstellen

Eröffnung: 09.02.2023, 18 Uhr

Laufzeit: 10.02.–01.05.2023

Kuratiert von Barbara Steiner, Alexandra Trost

In Kooperation mit Stiftung Bauhaus Dessau

Ort: Space02

 

Bildmaterial zum Download, den ausführlichen Pressetext und das Rahmenprogramm zu den beiden Ausstellungsprojekten finden Sie im Pressebereich:


Ingrid Wiener, Martin Roth

Isa Rosenberger

 

 

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

www.kunsthausgraz.at 

 

 

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