UMJ Newsletter Aussendung.

Michael Schusters Arbeit „COVID192020“ spiegelt die Risse, Spaltungen, Ungleichheiten, aber auch die Widerstandskraft und Energien des menschlichen Organismus wider

15.06.2023

Im April 2020, kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie, schrieb das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark gemeinsam mit dem Land Steiermark auf Initiative der Kronen Zeitung einen zweistufigen Wettbewerb zur Gestaltung von Skulpturen in Reflexion auf die Corona-Pandemie in Graz und der Steiermark aus. Als Siegerprojekte gingen Arbeiten von den Künstlern Wolfgang Becksteiner, Werner Reiterer und Michael Schuster hervor. Heute wurde die letzte der drei Arbeiten präsentiert.

Das dritte Corona-Denkmal wurde heute eröffnet: Landeshauptmann Christopher Drexler, Elisabeth Fiedler (Leiterin Institut für Kunst im öffentlichen Raum), Künstler Michael Schuster, Juryvorsitzender Ralph Schilcher, Gerald Schwaiger (Chef-vom-Dienst Steirerkrone), Jörg Schweiger (Redakteur Steirerkrone), v.l., Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Aus der unmittelbaren Erfahrung und in Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie sollten Arbeiten im öffentlichen Raum an mehreren Orten in der Steiermark als „vergegenständlichte Erinnerung“ geschaffen werden und Fragen nach den Auswirkungen auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene aufgreifen. Eine siebenköpfige Jury entschied sich nach intensiver Beratung für die Umsetzung von drei Projekten aus rund 300 Einreichungen von 220 Künstler*innen. Die Siegerprojekte von Wolfgang Becksteiner, Werner Reiterer und Michael Schuster zeichnen sich durch ihr Erinnerungspotenzial und ihren Blick in die Zukunft aus. An öffentlichen Plätzen in Graz und der Steiermark sind sie Statements über und Fragen an unsere Gesellschaft.

 

COVID192020 von Michael Schuster
Realisiert im Jahr 2023, schafft die Arbeit COVID192020 von Michael Schuster ein reflektiertes und differenziert wahrnehmbares Bild. Schockwirkend machte die zur Pandemie erklärte Krankheit klar, wie rasch langsam entwickelte Ordnungen, Rechte und Freiheiten verschwinden können. Geprägt von Ungewissheit und Verwundbarkeit zeigten sich in dieser Zeit nicht nur Fragilität und Brüchigkeit sozialer, politischer oder ökonomischer, Bildungs- oder Gesundheitssysteme, es wurde auch klar, dass eine Zäsur stattfand, die Welt danach eine andere sein würde. „Meine Skulptur“, so Michael Schuster, „verweist sowohl auf die unser Leben bedrohende Gewalt des Corona-Virus als auch auf die zerstörerischen politischen Entscheidungen als jene Bedingungen, die die Ausbreitung des Virus, das keinerlei Grenzen kennt, ermöglichte: wirtschaftliche globale Interdependenzen, Industrialisierung der Landwirtschaft, Globalisierung der Märkte, ökologische Verwüstungen, soziale Ungleichheiten u. a. m.“

Michael Schusters "COVID192020" ist ab sofort auf der Wiese der Erzherzog-Johann-Allee zu sehen, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek, (c) Bildrecht Wien 2023

In konzeptuellem Ansatz gibt es bei Michael Schuster weder Geheimnis, Symbolisierung, Umschreibung noch Erzählung, er fokussiert das Problem in größtmöglicher Reduktion und Essenz. Leicht konkav den Betrachtenden zugewandt und somit nicht sich selbst erhöhend konfrontiert uns das Denkmal mit einer selbstreferenziellen Botschaft. Die Basis, der Beton-Sockel, ist zwar lichtdurchlässig, erscheint aber glatt, konstruiert und gesellschaftskonform genormt. Der darauf befindliche COVID-19-Schriftzug, eingeschrieben in das kollektive Gedächtnis, erscheint in hartem Cortenstahl, aber auch splitternd, wodurch sich die Veränderung unseres Bewusstseins durch die Pandemie verdeutlicht. Die brüchig gestaffelte Form der Buchstaben und Ziffern – verursacht durch die fünfschichtig sukzessive bröckelnde Gewissheit des international verständlichen und doch nicht fassbaren Krankheitsphänomens – erscheint in Selbstauflösung und ist gleichzeitig bezeichnender Verweis auf veränderte gesellschaftliche Normen. So wird der Krisensituation in ihrer Vielschichtigkeit und Zwiespältigkeit und der daraus beeinflussten Gesellschaft mittels lamellenartiger, sich aufzulösen scheinender Schichtung der einzelnen Buchstaben und Ziffern bei gleichzeitiger Manifestation ein Bild gegeben. Bedrohung und Zerbrechlichkeit sowie Hoffnung des Lebens werden durch irritierend gesetzte Lichtsignale, die immer wieder nur minutenlang aufflackern, vermittelt.„Die Skulptur steht für die Entwicklung von Visionen einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft – lokal und global. Deshalb werden die einzelnen Lamellen der Buchstaben in der Finsternis auch zum Leuchten gebracht, wie durch das Leuchten der Sonnencorona“, so der Künstler Michael Schuster. Elisabeth Fiedler, Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum: „Bewusst werden in dieser Arbeit also Risse, Spaltungen, Ungleichheiten, aber auch Widerstandskraft und Energien des menschlichen Organismus sowie des reflektierenden Geistes und Denkvermögens sicht- und erfahrbar, um Gewesenes zu reflektieren und Neues zu initiieren.“ 

 

Landeshauptmann Christopher Drexler: „Beim dritten Denkmal ist endlich Realität, was die ‚Krone‘ bei Wettbewerb-Start im Frühjahr 2020 beschrieben hat und damals so fern war: Die Pandemie ist überwunden und mit 30. Juni laufen auch die allerletzten Maßnahmen der Bundesregierung aus. Die Pandemie war nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern mit allen Maßnahmen auch einschneidend für unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben. Die drei Corona-Denkmäler sollen insgesamt den Dank dafür ausdrücken, dass wir auch diese Krise überwinden konnten.“

 

Gerald Schwaiger, Chef vom Dienst der „Steirerkrone“: „Michael Schusters Denkmal ist für uns auch ein Dankmal – ein künstlerisches Dankeschön an die tausenden Spitals- und Pflegemitarbeiter, die Übermenschliches geleistet haben.“

 

Jörg Schwaiger, „Steirerkrone“-Redakteur, Ideengeber und Initiator der steirischen Corona-Denkmäler: „Unser Dank gilt auch Landeshauptmann Christopher Drexler und dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum, die von Beginn an Feuer und Flamme für unsere Idee waren und sofort mit der Realisierung begonnen haben.“

 

Die Jury
Elisabeth Fiedler (Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark), Wolfgang Muchitsch (ehem. wissenschaftlicher Direktor des Universalmuseums Joanneum), Ralph Schilcher (Juryvorsitzender), Henriette Gallus (ehem. stellvertretende Intendantin steirischer herbst), Hermann Eisenköck (Architekt), Oliver Pokorny (Chefredaktion Kronen Zeitung), Gerald Schwaiger (Chef-vom-Dienst Steirerkrone), Jörg Schwaiger (Steirerkrone)

 

Jurybegründung
Mit seiner Arbeit COVID 19 2020 „Calm Down And Panic!“ setzt Michael Schuster ein unverwechselbares und eindeutiges Zeichen. Ausgehend von einem konzeptuellen Ansatz wirft er uns auf das zu behandelnde und unabgeschlossene Thema selbst zurück: Der international allen verständliche Begriff des ungreif- und unfassbaren Krankheitsphänomens COVID19 erscheint in Selbstauflösung suggerierender Formensprache.
Durchlässigkeit und gleichzeitig Manifestation bilden mittels Lichtbetonsockel und mehrschichtig angelegtem Cortenstahl die noch bestehende Krisensituation in ihrer Vielschichtigkeit und Zwiespältigkeit ab. Bedrohung und Zerbrechlichkeit unseres Lebens werden durch irritierend gesetzte Lichtsignale vermittelt. Somit werden bewusst Risse, Spaltungen, Ungleichheiten in unserer Gesellschaft und unserem Leben sichtbar gemacht. Mit dieser eindeutigen und doch vielschichtigen Lesart und Verständlichkeit überzeugte Schusters Vorschlag die Jury.

 

____________________

 

Michael Schuster
COVID192020

Eröffnung: 15. Juni 2023
Ort: auf der Wiese der Erzherzog-Johann-Allee, zwischen Burgring und Burgtor, 8010 Graz
Information: +43-316/8017-9265, kioer@museum-joanneum.at
www.kioer.at 

 

Bildmaterial zum Download: Michael Schuster COVID192020

 

 

____________________

 

 

Wir freuen uns auf Ihre Berichterstattung und stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung!

 

Mit herzlichen Grüßen


Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at

Stephanie Liebmann
+43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at