UMJ Newsletter Aussendung.

Kunsthandwerkliche präzise recherchierte Arbeiten gehen einem gemeinsamen europäischen Kulturerbe nach

06.06.2023

Der österreichisch-bulgarische Künstler Plamen Dejanoff ist bekannt für seine Arbeiten zwischen konzeptuellem Kunstobjekt und dem Zitat traditioneller Baukultur und Geschichte. Für die Einzelausstellung "Heritage Project" im Kunsthaus Graz greift er den Begriff des europäischen Kulturerbes auf und entwickelt für die gezeigten Arbeiten die langfristig angelegte Auseinandersetzung mit seiner Heimat Bulgarien weiter. Anhand des Familienerbes von verschiedenen Gebäuden rund um seine Heimatstadt Veliko Tarnovo (übers. „ruhmreiches Tarnowo“), das postkommunistisch an die Familie zurückgefallen ist, arbeitet er sich durch die Schichten historischen Wissens. Eine Objektassemblage wird zum Kulturforum. Materielles und immaterielles Erbe wird zum Austragungsort vielschichtiger Wissensproduktionen.

Josef Schrammel (kaufm. Geschäftsführer UMJ), Andreja Hribernik (Leiterin Kunsthaus Graz), Künstler Plamen Dejanoff, Katrin Bucher Trantow (Chefkuratorin Kunsthaus Graz), Martin Grabner (Assistenzkurator), v.l., Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek

Ausgehend von Le Corbusiers Blick auf bulgarische Handwerkskunst als Inspirationsquelle für die Entwicklung seines modernistischen, modularen Denkens, schafft der Bildhauer gemeinsam mit einer Vielzahl von internationalen Spezialist*innen und unterstützenden Institutionen neue und kunsthandwerklich präzise gearbeitete Werke. An der Schnittstelle zwischen Kunst und funktionalem Objekt erzählen sie von stetig grenzüberschreitendem, paneuropäischem Wissens- und Warenaustausch.

Langfristig ist die Sammlung aus Gebäuden, Dokumenten und Objekten als Grundstock einer sozialen Skulptur in Veliko Tarnovo gedacht, wo sie die einstige Hauptstadt in der europäischen Peripherie wieder beleben sollen. Im Kunsthaus behaupten sie sich als selbstbewusste, begehrenswerte Manifestationen einer translokalen europäischen Baukultur und als Erbe „für alle“. Kulturelles Erbe (englisch: national heritage) ist eine Auszeichnung. Sie bedeutet Verantwortung, aber auch (nationale) Identität. Sie steht für einen wertvollen Besitz, der im übertragenen Sinne „uns“ allen gehört.

 

Plamen Dejanoffs persönliche Geschichte eines paneuropäischen Lebens

Die Einzelausstellung im Kunsthaus Graz zeigt fast ausschließlich neue, kunsthandwerklich präzise recherchierte Arbeiten, die einem gemeinsamen europäischen Kulturerbe und dessen Formen der Repräsentation nachgehen. Dejanoff greift für Heritage Project auf seine persönliche Geschichte eines paneuropäischen Lebens zurück. Er stellt anhand des Familienerbes – postkommunistisch an die Familie zurückgefallen – die Frage nach der Lesbarkeit der Form. In Zusammenarbeit mit Restaurator*innen, Tischler*innen Schreiber*innen und Gestalter*innen schafft er eigenständige skulpturale Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Handwerk, zwischen Repräsentation und Funktion. Als skulpturale Architekturzitate erzählen sie im Ausstellungsraum Geschichten ihrer Herkunft, ihrer repräsentativen Kraft, sowie des Transfers und der ästhetischen Qualität von handwerklichem Wissen.

Die aus Architekturfragmenten – Fußböden, Dachkonstruktionen, Fenster, Türen, etc. – in höchster handwerklicher Präzision entwickelten Objekte sind Zeugen von beinahe in Vergessenheit geratenen Techniken. „In einem Setting aus Plänen, architektonischen Umrissen, Rekonstruktionen und Verbindungen zu den Menschen und Moden des Umfelds, entsteht ein hybrides Geflecht als ästhetische Kritik gegenüber gängigen Vorstellungen von Wert“, so die Kuratorin Katrin Bucher Trantow.

 

Die Arbeiten bauen auf den langfristig angelegten Werkzyklen Foundation Requirements und The Bronze House auf und entwickeln diese konsequent weiter. Sie alle eint der geografische Bezugspunkt Veliko Tarnovo/Arbanassi in Bulgarien, wo sich die, der Familie des Künstlers restituierten historischen Gebäude aus dem 15. bis 19. Jahrhundert befinden. Fünf von ihnen hat Dejanoff gemeinsam mit ca. 18.000 historischen Dokumenten, 2.000 Büchern und 190 Werken zeitgenössischer Kunst in die Plamen Dejanoff Foundation eingebracht, deren Ziel es ist, zeitgenössische Kunst im kulturellen Bewusstsein Bulgariens zu verankern und eine neue Wertschätzung für das reiche kulturelle Erbe zu generieren.

Die Einzelausstellung des österreichisch-bulgarischen Künstlers Plamen Dejanoff wird morgen eröffnet, Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek

Über 100 gesammelte Objekte werden zum Grundstock einer sozialen Skulptur

Die eigens für die Ausstellung in Graz entstandenen Werke – über 100 Objekte wurden für die Ausstellung in ganz Europa gesammelt, überarbeitet und adaptiert – sind als Grundstock einer sozialen Skulptur in seiner Heimatstadt Veliko Tarnovo gedacht. Nach der Auslegeordnung des modularen Systems im Kunsthaus Graz kommen sie nach Bulgarien, wo sie architektonische Funktionen übernehmen können. Sie werden Teil des, vom Künstler initiierten und gemeinsam mit dem Kunsthaus Graz konzipierten bildhauerischen Projekts einer lebenden Skulptur. Das Haus am historischen Marktplatz von Veliko Tarnovo wird 2024, nach der Ausstellung in Graz, als skulpturaler Wissensraum eröffnet und danach mit den teils eingebauten, teils ausgestellten Werken vervollständigt. Als neuer Ort für Kunst im Herzen von Veliko Tarnovo schafft Heritage Project feat. Kunsthaus Graz eine sichtbare Präsenz zeitgenössischer Kunst in der, auch vom internationalen Kunstbetrieb vernachlässigten, europäischen Peripherie und ist gleichzeitig durch die Überführbarkeit in die Funktion eine Manifestation nachhaltiger Kunstproduktion. Dass neben der sozialen Skulptur mit zugehörigem Café als ersten Anlaufstelle am historischen Marktplatz von Veliko Tarnovo in weiterer Folge auch die Gründung eines Museums zum Andenken an den Fußballer Trifon Ivanov gehört, ist konsequent mit der Idee der Konstruktion und der Förderung von nationaler Identität verbunden. Der herausragende Fußballer Ivanov, der mit Dejanoff in Veliko Tarnovo in die Schule ging, steht für den verblüffenden Aufstieg der Bulgarischen Nationalmannschaft 1994, das das Land erstmals für breite Bevölkerungsschichten auf die internationale Landkarte setzt. Für das zukünftige Museum hat Dejanoff eine große Sammlung von Fanartikeln angelegt, die ebenso, wie eine Vielzahl von Buchcovern das Bild seiner Heimat Bulgarien spiegelt.

 

Heritage Project ist ein bildhauerisches Langzeitprojekt, das sich der Konstruktion von Identität aus verschiedenen Perspektiven widmet. Es verpflichtet sich dabei konsequent bildhauerisch dem Handwerk und seinem intrinsischen Wissen, das droht verloren zu gehen und vergessen zu werden. Im Sinne einer Ästhetik der Moderne ist jedes bearbeitete Objekt in seiner eigenständigen Qualität und seinem Wert erkennbar. Als selbstbewusste, nachhaltige und begehrenswerte Manifestationen einer translokalen europäischen Baukultur, manifestieren sie sich als nachhaltiges Kulturerbe „für alle“.

 

 

Plamen Dejanoff (*1970 in Veliko Tarnovo und Sofia) lebt und arbeitet in Wien. Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Michelangelo Pistoletto, davor an der Nationalen Kunstakademie in Sofia und am Pratt Institute in New York, zahlreiche Einzelausstellungen und Beteiligungen in Gruppenausstellungen.

 

 

_____________________

 

 

 

Plamen Dejanoff
Heritage Project

In Kooperation mit Stiftung Bauhaus Dessau und Bundesdenkmalamt – Informations- und Weiterbildungszentrum Baudenkmalpflege Kartause Mauerbach
Eröffnung: 07.06.2023, 19 Uhr
Laufzeit: 08.06.–27.08.2023
Kuratiert von Katrin Bucher Trantow
Ort: Kunsthaus Graz, Space01
 

 


_____________________

 

 

Bildmaterial zum Download, den ausführlichen Pressetext und Hintergrundinformation finden Sie im Pressebereich: Plamen Dejanoff

 

 

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

www.kunsthausgraz.at 

 

 

_____________________

 

 

 

 

Wir freuen uns auf Ihre Berichterstattung stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung!

 

 

 

 

Herzliche Grüße

 

 

Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at

Stephanie Liebmann
+43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at

Alexandra Reischl
+43/699/1780-9002, alexandra.reischl@museum-joanneum.at