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Gleich zwei Sonderausstellungen setzen sich mit Natur und Biodiversität auseinander

17.03.2023

In der fotografischen Intervention Monument setzt sich Alek Kawka mit dem Motiv Baum als Naturdenkmal auseinander. Zu sehen sind diese Aufnahmen, die im Europaschutzgebiet Feistritzklamm/Herberstein gemacht wurden, im Foyer des Joanneumsviertels. Im Naturkundemuseum zeigt die Neue Galerie Graz Viechereien von Walter Köstenbauer.

Die beiden Ausstellungen wurden gestern eröffnet: Künstler Walter Köstenbauer, Peter Peer (Leiter Neue Galerie Graz), Wolfgang Paill (Leiter Naturkundemuseum), Stefanie Lin (Naturschutzbund Steiermark), Künstlerin Alek Kawka, Kurator Roman Grabner, Koordinator Niki C. Knopp v.l., Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

„Baumnaturdenkmale“ sind meist mehrere Hundert Jahre alt. Sie sind einzigartige Naturschöpfungen und historische Zeitzeugen. In der Kunst wurden Bäume häufig als Projektionsfläche für religiöse oder politische Themen gesehen oder als besondere Naturmotive, welche die landschaftliche Schönheit und ihre Erhabenheit hervorheben. Jedoch ist auch die historische Entwicklung unserer Beziehung zur Natur ausschlaggebend für die Darstellung des Baums in der Kunst als ein Werkzeug, mit dem auch komplexe Bereiche unserer Existenz kommuniziert werden.

 

Symbol der Vergänglichkeit

Eine besondere Bedeutung in den Baumporträts von Alek Kawka kommt dem Totholz in seiner knorrigen, abgestorbenen Form zu – als Symbol der Vergänglichkeit und zugleich als essenzieller Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. Die Fotos werden auf Glas gedruckt, wobei eine darunterliegende Spiegelebene den Werken einen nebelhaften Schleier verleiht und sich die Darstellung je nach Betrachtungswinkel verändert. Der Spiegel ist dabei nicht nur eine technische Komponente, sondern gewinnt eine tiefere Bedeutung als Allegorie der Abbildung, Betrachtung, des Nachdenkens und Reflektierens.
 

In der Steiermark sind über 600 Bäume als Naturdenkmale ausgezeichnet. Für den Erhalt dieser einzigartigen Naturgeschöpfe setzt sich das Land Steiermark gemeinsam mit dem Naturschutzbund Steiermark und der Steiermärkischen Berg- und Naturwacht tagtäglich ein. Heute ist der Baum vor allem ein Symbol für die Schutzbedürftigkeit der Natur gegenüber der vom Menschen verursachten ökologische Krise. Auch den steirischen Baumnaturdenkmalen machen die durch den Klimawandel immer häufiger vorkommenden Unwetter und die ungewohnte Hitze deutlich zu schaffen. Bäume werden immer mehr zum „Statement“ menschlichen Überlebens in einer kollabierenden Umwelt. Durch Patenschaften können regelmäßige Baumkontrollen und Pflegemaßnahmen von spezialisierten Baumpfleger*innen durchgeführt werden, um diese unvergleichlichen Naturschätze mit ihrem maßgeblichen Anteil zum Erhalt der steirischen Artenvielfalt zu schützen.

 

Vorgeschmack auf die STEIERMARK SCHAU
Die präsentierten Arbeiten von Alek Kawka zeigen Bäume aus dem Europaschutzgebiet Feistritzklamm/Herberstein, wo vom 29.04. bis 05.11. die STEIERMARK SCHAU 2023 präsentiert wird. Die Ausstellung im Foyer des Joanneumsviertels findet im Rahmen des Baum-Naturdenkmal-Patenschafts-Projekts des Landes Steiermark, des Naturschutzbundes Steiermark und der Steiermärkischen Berg- und Naturwacht zum Schutz steirischer Baum-Methusalems sowie in Kooperation mit der STEIERMARK SCHAU 2023 in der Tierwelt Herberstein statt.

Die Ausstellung fotografischer Arbeiten von Alek Kawka findet im Rahmen des Baum-Naturdenkmal-Patenschafts-Projekts statt und ist im Foyer des Joanneumsviertels zu sehen, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J .Kucek

Naturliebhaber Köstenbauer
Walter Köstenbauer ist nicht nur Kunstschaffender, sondern seit seinen Jugendtagen auch ein akribischer Naturliebhaber, -beobachter und -sammler. Das Naturkundemuseum am Universalmuseum Joanneum hat vor wenigen Jahren seine Schmetterlingssammlung als Geschenk erhalten, die einen guten Überblick über die damalige Vielfalt dieser Insekten im Grazer Umland zu geben vermag. Der Austausch über die Biodiversität war auch einer der Ausgangspunkte der aktuellen Intervention des Künstlers in der biowissenschaftlichen Dauerausstellung, die in Kooperation mit der Neuen Galerie Graz entstanden ist.

 

Seit 1994 hat der steirische Künstler historische Wandtafeln und Lithografien aus Lehrbüchern des 19. Jahrhunderts überarbeitet. Er hat die Lehrmittel zur Vermittlung naturwissenschaftlicher Kenntnisse mit Zitaten aus der Kunstgeschichte und assoziativ gewählten Fotos aus den Medien collagiert. Teils ironisch, teils humorvoll verweist er darauf, dass die teilweise bis zum heutigen Tag verwendeten naturkundlichen Abbildungen ihre Wurzeln in den Kunstdarstellungen der Renaissance und des Barock haben. Der Vorbildcharakter von Dürers Naturstudien wie dem „Großen Rasenstück“ oder dem „Feldhasen“ wirkt nicht nur bis in die Gegenwart, sondern hat unsere Vorstellung sowohl von Kunst als auch von Naturdarstellungen geprägt. Dürer konnte zu seiner Zeit jedoch noch nicht auf naturhistorische Sammlungen zurückgreifen und hat sich daher bereits in frühen Jahren ein Konvolut an Skizzen und Bildvorlagen zugelegt, das er ein Leben lang erweiterte und auf das er stets zurückgriff, seine Druckgrafiken hingegen wurden für viele nachfolgende Künstler*innen zu wichtigen Vorlagen. Es ist daher nur konsequent, dass Köstenbauer sowohl den berühmten „Feldhasen“ zeigt, als auch die naturalistische Darstellung einer toten Blauracke in seinen Überarbeitungen zitiert.

 

Naturstudien im Laufe der Zeit

Wissenschaft und Kunst waren um 1500 noch eng miteinander verwoben, was sich eben nicht nur in den Naturstudien der Renaissance, sondern auch in den naturalistischen Stillleben des Barock zeigt, obgleich der Blick auf die naturkundlichen Artefakte noch ein subjektiver war. Ohne nun die gesamte Geschichte der Naturdarstellungen bemühen zu wollen, sei zumindest die Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian erwähnt, die in ihren Darstellungen bereits einen Schritt weiter ging und die sachliche Dokumentation über die individuell-künstlerische Komposition stellte. Eine wissenschaftliche Nüchternheit hält in der Darstellung Einzug, doch die Genauigkeit und Detailverliebtheit der bildenden Kunst bleiben in der gebrauchsorientierten Form der grafischen Darstellung erhalten. Aus dieser Traditionslinie gehen im 17. und 18. Jahrhundert die zahlreichen Lehrwerke hervor, die Kindern und Jugendlichen in Bild und Text einen exemplarischen Wissensvorrat über die Tiere der Erde anhand der jeweiligen naturhistorischen Systematik vermittelten. Die Idee der Teilhabe der Kinder und Jugendlichen an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Naturkunde mit spezifischen Visualisierungsstrategien geht auf Pädagogen wie Johann Bernhard Basedow zurück und wurde dann später zum Beispiel von Johann Heinrich Pestalozzi popularisiert. Die von Aloys Senefelder erfundene Technik Lithografie machte es möglich, realistische Abbildungen kostengünstig zu vervielfältigen.

 

Die Lithografien, die Köstenbauer überarbeitet hat, stammen von Georg Michael Kirn (1810–1882), über den nicht viel in Erfahrung zu bringen ist, und sind dem Werk „Naturgeschichte des Thierreichs: ein Anschauungs-Unterricht für Schule und Haus“ von Christian Friedrich August Kolb entnommen, das in der ersten Auflage 1868 in Stuttgart erschien. Der Künstler hat die visualisierten Lebensräume mit Fundstücken aus den Tagesmedien und seinem kunsthistorischen Archiv erweitert, gebrochen, ironisiert und jeder Darstellung eine neue Narration eingeschrieben. Der Titel „Errettung des Tafelbildes“, den Köstenbauer für seine Serie der überarbeiteten Wandbilder gewählt hat, bezieht sich sowohl auf das Verschwinden dieser Lehrmittel aus dem Unterricht als auch auf den parallel stattfindenden Diskurs um das Ende der Malerei. Ergänzt um die „Profanen Animalismen“, so die Bezeichnung des Werkblocks seiner collagierten Lithografien, könnte man die Arbeiten von Köstenbauer durchaus auch als künstlerische Medienarchäologie deuten.

Kunst- und Wunderkammern
Historisch betrachtet hatten die Kunst- und Wunderkammern der Renaissance die Funktion, einen universalen Zusammenhang unserer Welt zu bieten. In den Studioli und Sammlungsräumen wurden Naturalia, Artificialia, Scientifica, Exotica und Mirabilia gehortet und in einem individuellen Ordnungssystem präsentiert. Seit dem späten 18., vor allem aber seit dem 19. Jahrhundert hat die Institution Museum die Aufgabe übernommen, Zeugnisse unserer Natur und Kultur zu sammeln, bewahren, erforschen, präsentieren und zu vermitteln. Jede Schausammlung ist damit Teil einer großen Erzählung und spiegelt bis zu einem gewissen Grad unsere Wirklichkeit. Mit der Intervention von Walter Köstenbauer eröffnet sich die Möglichkeit, der Erzählung der Vergangenheit mit ihren Wechselwirkungen von Natur- und Kunstgeschichte eine Episode hinzuzufügen. Mit geradezu beiläufiger Leichtigkeit stellt der Künstler im Naturkundemuseum fundamentale Fragen wie jene nach der Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, dem Verschwinden visueller Dispositive und der Gefährdung der „kritischen Zone“ (Bruno Latour), die wir alle gemeinsam bewohnen. Seine Intervention ermöglich es, andere Blickwinkel einzunehmen, neue Fragen zu stellen, Neugier zu entfachen und ganz prinzipiell über den Bezug von Natur, Mensch und Kultur nachzudenken.

 

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Alek Kawka
Monument

Eröffnung: 16.03.2023, 19 Uhr, Eintritt frei!
Laufzeit: 17.03.2023–05.11.2023

Koordination: Michael C. Niki Knopp (Universalmuseum Joanneum), Stefanie Lin (Naturschutzbund Steiermark)

Foyer des Joanneumsviertels, 8010 Graz
www.naturkunde.at 

 

Walter Köstenbauer
Viechereien

Eröffnung: 16.03.2023, 19 Uhr, Eintritt frei!
Laufzeit: 17.03.2023–05.11.2023

Kuratiert von Roman Grabner
Neue Galerie Graz zu Gast im Naturkundemuseum,
Joanneumsviertel, 8010 Graz
www.neuegalerie.at 

 

Weitere Informationen sowie Bildmaterial finden Sie unter Alek Kawka sowie Walter Köstenbauer.

 

Gern organisieren wir auf Anfrage eine Führung mit den Kuratoren durch die Ausstellungen.

 

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Wir freuen uns über Ihren Bericht!

 

Mit herzlichen Grüßen

 

 

Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at

Stephanie Liebmann
+43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at

Alexandra Reischl
+43/699/1780-9002, alexandra.reischl@museum-joanneum.at