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Ein neues „Schaufenster“ lässt in Flavia Solva tief in häusliche Gebräuche der Römerzeit blicken

12.07.2023

Flavia Solva im Gemeindegebiet von Wagna ist sicher der bekannteste und bedeutendste römerzeitliche Fundplatz der Steiermark. Während der römischen Herrschaft wurde ein Großteil des Landes von dieser Stadt aus verwaltet. In einem auf fünf Jahre angelegten und vom Bundesdenkmalamt geförderten Projekt werden im Universalmuseum Joanneum archäologische Altfunde aus Flavia Solva gesichtet, wissenschaftlich aufgearbeitet und digital erfasst. Das nun neu zugängliche, von Barbara Porod, Johanna Kraschitzer und Gudrun Praher-Malderle kuratierte Schaufenster in die Römerzeit Solva à la carte zeigt erste Resultate dieser Erfassung, wobei auch die Ergebnisse des bereits abgeschlossenen EU-Projektes PalaeoDiversiStyria eingeflossen sind. Damit erhält der Standort des Universalmuseums Joanneum in Wagna nach der im Juni erfolgten Übernahme des Eiscafés durch die Soziale Arbeit Steiermark GmbH eine weitere Bereicherung.

Kuratorin Barbara Porod, Franz Pilch (Gemeinde Wagna, Archiv-/Erinnerungsarbeit), Peter Stradner (Bürgermeister der Marktgemeinde Wagna), Anton Edelsbrunner (GF SASt GmbH), Restauratorin Nina Heyer, Abteilungsleiter Karl Peitler, Foto: UMJ/J.J. Kucek

Die ganze Fülle des Hausrats der damaligen Zeit kennen wir nur von römischen Schriftstellern, manches auch von Bildern und Statuen. Von den Fässern, Säcken, Lederschläuchen und Körben ist so gut wie nichts erhalten. Keramik ist im Gegensatz dazu sehr haltbar, die ältesten Funde von Keramik aus der heutigen Steiermark sind mehr als 6.000 Jahre alt. Wenn es auch oft nicht ganze Gefäße, sondern nur Scherben sind, die gefunden werden, können Archäolog*innen aus diesen doch vieles ablesen. Auch aus einem einzelnen Scherben kann man die Form des ganzen Gefäßes erschließen und damit über die Funktion und das Alter des ursprünglichen Stücks etwas aussagen. Zur Aufbewahrung, Zubereitung und zum Verzehr von Nahrung wurde eine Fülle von unterschiedlichen Gefäßen aus Keramik verwendet. Das neue Schaufenster in die Römerzeit zeigt, mit welchen Gefäßen in Flavia Solva gearbeitet wurde.

 

Auf dem heute steirischen Gebiet gab es eine Vielzahl von Getreidesorten wie Hirse, Weizen, Emmer/Einkorn, Dinkel und Gerste. Mit dem Übergang zur Römerzeit änderten sich auch die Vorlieben beim Fleischkonsum. Standen vorher hauptsächlich Schaf und Ziege auf dem Speiseplan, wurde im römischen Flavia Solva besonders gerne Rind- und Schweinefleisch gegessen. Auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen wurden als Proteinquelle genutzt. Durch den Kontakt mit dem Mittelmeerraum kamen neue Lebensmittel wie Oliven, Feigen, Austern und Weinbergschnecken in die Region. Auch neue Nahrungsmittel wie Edelkastanien, Walnüsse und Buchweizen, Wildfrüchte und Pilze ergänzten gelegentlich die Ernährung.

 

Hunger war vor 2.000 Jahren ein ständiger Begleiter, da die Verfügbarkeit von Getreide begrenzt war und subventioniertes Getreide wie in Rom nicht zur Verfügung stand. In großen Vorratsgefäßen, die bis zur markanten Leiste an der Schulter eingegraben waren, wurden entweder loses Getreide, in Honigwasser eingelegtes Obst oder auch fermentiertes Gemüse aufbewahrt. Kleine Töpfe könnten für Honig oder wertvolle Fette wie Schmalz verwendet worden sein. Im großen Krug wurde vielleicht Milch oder Rahm aufbewahrt. Wie Käse mithilfe von Lab oder Labkraut hergestellt werden kann, war in der Römerzeit prinzipiell bekannt, für Flavia Solva wurden bislang allerdings noch keine Hinweise für Käseherstellung gefunden.

Das neue Schaufenster gibt Einblicke in die häuslichen Gebräuche / Foto: Universalmuseum Joanneum / J.J. Kucek

Sehr häufig wurden Gefäße aus Keramik auch zum Kochen verwendet. Besonders die Dreifußschüsseln, die typisch für Flavia Solva sind, waren zum Zubereiten und Warmhalten von kleinen Speisemengen geeignet. Außerdem konnten Speisen leicht transportiert und auch aus der Dreifußschüssel gegessen werden. In Töpfen mit und ohne Deckel unterschiedlicher Größe wurde ebenfalls gekocht.

 

Karl Peitler, Leiter der Abteilung Archäologie & Münzkabinett: „Für Flavia Solva stellen die sogenannten norisch-pannonischen Dreifußschüsseln eine lokale keramische Besonderheit dar. Es ist sehr erfreulich, dass durch eine Förderung des Bundesdenkmalamtes und mit Unterstützung der Marktgemeinde Wagna und des Freundeskreises für Schloss Eggenberg und seine Sammlungen diese Gefäßform nun wissenschaftlich aufgearbeitet werden kann.“

 

Ein weitere besondere Form der Schüssel ist die vor der Römerzeit unbekannte Reibschüssel, die an einer Seite einen Ausguss besitzt und innen mit Steinchen besetzt sein kann. Sie eignet sich zum Musen von Getreide und Früchten oder Nüssen ebenso wie zum Mischen von Kräutern oder Gemüse und Käse.

 

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Solva à la Carte

Flavia Solva, Marburgerstraße 111, 8435 Wagna

 

Kuratiert von Barbara Porod, Johanna Kraschitzer und Gudrun Praher-Malderle
Laufzeit: 30.06.2023–21.06.2024

 

Info Flavia Solva: +43-316/8017-9560
presse@museum-joanneum.at 

 

 

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