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Graz, 26.06.2025
Milica Tomićs Einzelausstellung On Love Afterwards eröffnet einen Raum zur aktiven Auseinandersetzung mit drängenden Fragen nach Mut, Erinnerung, politischer Gewalt und sozialen Ungleichheiten. Durch künstlerische Recherche und kollektive Praxis greift sie diese Themen auf und beleuchtet sie aus verschiedenen Blickwinkeln, wobei sie historische Ereignisse entschlüsselt, die mit der politischen und sozialen Realität der Region des ehemaligen Jugoslawiens und den heutigen Umständen verbunden sind. Die Ausstellung präsentiert Milica Tomićs über 30-jähriges Schaffen in seiner Gesamtheit und umfasst eine Auswahl von Werken, die durch Archivmaterial erweitert und ergänzt werden. Die fließende und nicht genau definierte Grenze zwischen ihrer künstlerischen Arbeit und Forschung spiegelt sich im Konzept der Ausstellungsarchitektur wider, die Hintergrundinformationen und Einblicke in ihre individuelle und kollektive Praxis bietet.
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Die Künstlerin Milica Tomić (Mitte) mit den beiden Kuratorinnen der Ausstellung Irena Borić und Andreja Hribernik (v.l.), Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek
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Der Titel der Ausstellung führt bewusst das Konzept der Liebe ein, das auf den ersten Blick kaum mit Werken in Einklang zu bringen ist, die von politischem Widerstand, politischen Verbrechen, Völkermord und Ausbeutung handeln. Liebe wird hier als Gegensatz dazu gezeigt, eine neue Sprache oder ein neues Denken für die schwierigen Themen und Ereignisse zu finden, die unsere Gegenwart bestimmen. Eines der ersten Werke der Ausstellung ist eine Videoarbeit, die auch namensgebend für die Ausstellung war. Die Protagonist*innen des Videos On Love Afterwards erzählen von ihren Erfahrungen und ihrer Motivation, sich während des Zweiten Weltkriegs dem Widerstand und der antifaschistischen Bewegung anzuschließen und offenbaren so gleichzeitig persönliche Verantwortung, Mut, Liebe und den Glauben an eine bessere Zukunft.
Andreja Hribernik, Leiterin des Kunsthauses Graz und Kuratorin: Wir eröffnen die Ausstellung von Milica Tomić in Graz in einer Zeit, in der die Stadt ein großes Trauma erlebt hat und dieses verarbeiten muss. Zudem ist die weltpolitische Lage von zunehmender Gewalt, bewaffneten Konflikten und der Erosion demokratischer Werte geprägt. Mit dieser Ausstellung möchten wir einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten und ein Zeichen setzen – für Dialog, Empathie und die Notwendigkeit von Abrüstung. Aus einem solidarischen Verständnis heraus – all jenen gegenüber, die ein Trauma erlitten haben – zeigen wir einige Arbeiten ausschließlich im Rahmen eines begleiteten Vermittlungsprogramms. Damit soll ein geschützter Raum für Reflexion und Austausch geöffnet werden, der in Zeiten wie diesen wichtiger denn je ist.
Kunst zwischen Erinnerung und Systemkritik Tomićs Arbeiten gehen oft von persönlichen und individuellen Geschichten aus, die sie als Ausgangspunkt nutzt, um umfassendere Machtstrukturen zu hinterfragen. Ihre Praxis deckt die strukturellen und systemischen Bedingungen auf, die politische Gewalt und Ungerechtigkeit ermöglichen. Gleichzeitig hinterfragt sie die Erosion der persönlichen Verantwortung, die solche Systeme aufrechterhält – und greift damit die berühmten Bedenken von Hannah Arendt auf.
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Die erste große Einzelausstellung der Künstlerin wird heute im Kunsthaus Graz eröffnet, Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek
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Eines der zentralen Werke der Ausstellung ist eine vielschichtige Arbeit mit dem Titel Das Porträt meiner Mutter (Portrait of MM). Nach der Bombardierung Serbiens und des Kosovo im Jahr 1999 filmt Milica Tomić einen Spaziergang durch die Stadt. Während sie einen Weg zurücklegt, der verschiedene Schichten der Stadt offenbart, erhalten Betrachter*innen Einblicke in die komplexe Beziehung der Künstlerin zu ihrer Mutter. Das Werk eröffnet auch einen Dialog zwischen der Künstlerin, der urbanen Landschaft und ihrer intimen Geschichte, die tief mit der Politik verflochten ist. Im Zentrum der Installation steht ein fehlendes Objekt, das durch eine Abbildung eines großformatigen Wandteppichs dargestellt wird, den die Mutter der Künstlerin angefertigt hat. Der Teppich selbst existiert nicht mehr – nur das Diapositiv blieb erhalten. Das Werk bestand aus Knoten und Webarbeiten – einer Technik, die von Künstlerinnen im ehemaligen Jugoslawien häufig verwendet wurde. Für Tomić hat der Knoten als solches eine vielschichtige Bedeutung: Über seine materielle Form hinaus bezieht er sich auf den Borromäischen Knoten – ein psychoanalytisches Modell, das die Verflechtung des Realen, des Symbolischen und des Imaginären verdeutlicht.
Das Konzept des Knotens zeigt sich auch in einer neuen Skulptur, die aus einem experimentellen Material besteht. Das Material wurde mithilfe von organischen Sporen gehärtet. Diese Methode – entwickelt von Forscher*innen der TU Graz – hat die Künstlerin für die Umsetzung der Skulptur angewandt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt in Milica Tomićs Arbeit ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Werk und Wert. In vielen ihrer Arbeiten beschäftigt sie sich mit politischen Realitäten, die durch ihre persönlichen Erfahrungen als Zeugin der Privatisierungsprozesse und des politischen Wandels vom Sozialismus zum Kapitalismus geprägt sind, der eng mit dem Zerfall Jugoslawiens und dem darauffolgenden Krieg verbunden war.
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Im Vordergrund ein Detail der neuen Skulptur "Is There Anything in This World You Would Be Ready to Give Your Life For?", die in Kooperation mit der TU Graz entstanden ist, Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek
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Kunst als kollektive Praxis In ihren Projekten bewegt sich Milica Tomić zwischen individueller und kollektiver Kunstpraxis und sucht nach neuen Formen des Zusammenwirkens. Sie ist Gründungsmitglied der Spomenik Group und von Four Faces of Omarska. Ihre Arbeit in der Spomenik Group ist geprägt von einem rigorosen Engagement und dem Bestreben, Bedingungen zu schaffen, unter denen Kunst und Theorie einen eigenen Diskurs über Völkermord und den Zustand des permanenten Krieges entwickeln können. Die Gruppe vertritt die Auffassung, dass Völkermord thematisiert werden kann – jedoch nur durch die Sprache der Politik und der Ideologiekritik. Dieser Ansatz setzt sich in Four Faces of Omarska fort, wo Tomić mit kritischen Forschungsplattformen wie Forensic Architecture in Dialog tritt.
Zur Künstlerin Der performative Ansatz ihrer Arbeiten und der Ausstellung selbst wird durch die Architektur unterstrichen, die die Besucher*innen dazu einlädt, sich aktiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Milica Tomić arbeitet in den Bereichen Fotografie, Video, Installationskunst und diskursive, pädagogische Kunst, Performance und gesellschaftspolitisches Engagement. Seit 2014 ist sie Vorständin des Instituts für Zeitgenössische Kunst an der Technischen Universität Graz in Österreich.
Parallel zur Ausstellung erscheint im Juli ein Katalog. Einige der Werke entstanden in Zusammenarbeit mit der 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst.
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Milica Tomić. On Love Afterwards
Eröffnung: 26.06.2025, 20 Uhr Laufzeit: 27.06.2025–12.010.2025 Kuratiert von Andreja Hribernik, Irena Borić Assistenzkuratorin: Alexandra Trost Ort: Space01
www.kunsthausgraz.at
Den Pressetext und Ausstellungsansichten zum Download finden Sie hier: Milica Tomić
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Wir freuen uns auf Ihre Berichterstattung und stehen für Rückfragen gern zur Verfügung!
Herzliche Grüße
Daniela Teuschler
+43/664/8017-9214, daniela.teuschler@museum-joanneum.at
Stephanie Liebmann
+43/664/8017-9213, stephanie.liebmann@museum-joanneum.at
Eva Sappl
+43/699/1780-9002, eva.sappl@museum-joanneum.at
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