23. April 2019 / Elisabeth Eder

Zwischen Tausenden Dübeln und Detailarbeit

Alte Galerie | Museumsalltag | Schloss Eggenberg

Am 25.4. eröffnet die Neuaufstellung der Alten Galerie "Zwischen Tanz und Tod. Episoden der Frühen Neuzeit". Barbara Kaiser, Kuratorin und Gestalterin der neuen Dauerausstellung der Alten Galerie, im Interview über laufende Vorbereitungen, Herausforderungen und die große Bedeutung des ersten Eindrucks.

Wie laufen die Vorbereitungen bis zur Eröffnung? Sind Sie zufrieden?
BK: Wir sind exakt im Zeitplan. Gott sei Dank laufen die Arbeiten wunderbar und in Teilbereichen sind wir dem Zeitplan sogar voraus, was immer gut ist.

Was dürfen sich die Besucher/innen von der Ausstellung erwarten?
BK: Was die Besucher/innen sich erwarten können, ist auch und vor allem das, was sie selbst daraus machen. Es hat auch damit zu tun, wie bereit sie sind, sich darauf einzulassen. Wir geben ein breites Menü vor: Wir versuchen, die Kunstwerke auch als Zeitzeugen oder Zeitdokumente zu präsentieren. Sie sind ja nicht auf einer Kunstinsel entstanden, sondern Objekte ihrer Zeit: Sie erzählen, sind Propagandainstrumente, sie sind auch Protest oder Anklage der Künstler, zeigen Positives und Negatives. Sie geben faszinierende Einblicke in diese drei Jahrhunderte großer Umstellungen.

Welche großen Umstellungen beherrschen die Frühe Neuzeit?
BK: Es ist eine Zeit, die von der festgefügten religiösen Welt des Mittelalters bis zur Aufklärung an die Schwelle der Moderne führt. Das ist eine große Periode der Umstellung in der Philosophie, im täglichen Leben, im wissenschaftlichen Forschen, auch im Alltag und in Bezug auf technische Erfindungen. Es ist eine Zeit ständiger Kriege, eine Zeit, die von Hunger und Elend ebenso geprägt ist wie von einer großen Klimaumstellung – wie auch unsere Zeit, was einen guten Anknüpfungspunkt ergibt. Im 16. Jahrhundert bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es eine sogenannte kleine Eiszeit, in der das Wetter verrückt spielt, es kühlt extrem herunter und es gibt lange, eisige Winter. Durch diese Umstellungen kommt es – wie in unserer Zeit – zu besonderen Wetterextremen und Naturkatastrophen: Vulkane brechen aus, die Sommer verkürzen sich, die Winter werden immer länger, das heißt, die Ernten werden immer schlechter. Die Wetterkapriolen verstärken so die Leiden einer Bevölkerung, die von Krieg und Hunger schon genug belastet ist.

All das ist ein sehr explosives Gebilde und spiegelt sich auch in der Kunst wider. Wir versuchen mit den Gemälden und Skulpturen, die uns zur Verfügung stehen, diese Geschichte zugänglich zu machen. Darum war es eine Idee der Kuratie, nicht chronologisch, sondern thematisch zu hängen.

Hängekonzept finden: Die Idee der Kuratie war es, nicht chronologisch, sondern thematisch zu hängen.

 

Welche Vorteile hat eine thematische Hängung für die Besucher/innen?
BK:
Das hat viele Vorteile, denn als Besucher/in muss ich mich so nicht auf jedes Bild extra neu einjustieren und schauen: „Wo bin ich?“, sondern ich weiß zumindest, in welchem Umfeld ich mich befinde und kann bewusst darauf schauen. Ich kann auch bei den Raumtexten nachlesen, mich in vielen Räumen hinsetzen, die Hörstationen benutzen oder mir auch ein eigenes Bild machen.

Welche großen Herausforderungen stehen Ihnen bis zur Eröffnung noch bevor?
BK: Ein Museum ist ein Ort, auf den man sich einlassen muss. Eine Schwierigkeit für die Gestalter/innen und die Kuratorinnen und Kuratoren ist es, dieses „Sich-Einlassen“ zu bewirken. Das funktioniert nur, wenn ich die Besucher/innen emotional abholen kann, wenn ich sie neugierig mache, sie berühren kann. Wenn mir das nicht gelingt, werden sich wenige Menschen wirklich darauf einlassen – und das ist immer die Herausforderung.

Sie sind Kuratorin und Gestalterin. Was waren die wichtigsten Schritte von der Planung der Ausstellung bis hin zur Eröffnung, die schon bald bevorsteht?
BK: Man muss sehr früh mit der Planung beginnen, denn das Ausstellungskonzept, aus dem die Gestaltung resultiert, muss fertig sein, bevor man überhaupt an die Gestaltung und an den Aufbau herangeht. Wir, das heißt Gastkurator Ulrich Becker, meine Kolleginnen aus der Alten Galerie und ich, haben uns überlegt, welche Themen wir darstellen können und wie wir die gut 20 wunderbaren Leihgaben, die wir bekommen haben, besonders in den Vordergrund rücken können. Davor wird überlegt, welche Themen man befüllen kann. Dann schaut man, welche Kunstwerke es dazu gibt und versucht, einen passenden Raum dafür zu finden ¬– das ist oft schwierig mit Groß- und Kleinformaten. Und im Anschluss muss man noch versuchen, diese einzelnen Themen zu einer funktionierenden Geschichte zusammenzufügen, damit die Abfolge auch stimmt.

Wie sieht die Raumplanung konkret aus?
BK:
Unser Ausgangspunkt war es, die zwei Seiten der Frühen Neuzeit zu zeigen: einerseits die positive Seite von Renaissance und Barock mit ihrer Pracht und Lebenslust, ihrer Neugierde und Festkultur und andererseits die Realität des Alltags, die meist ganz anders aussah. Es gab sie natürlich, die Augenblicke des höfischen Glanzes und einer einmaligen Festkultur, die bevorzugt in Kunstwerken festgehalten wurden und deshalb unsere Vorstellung von dieser Zeit bestimmen. Es gab aber auch die negativen Seiten wie Hunger, Elend und Kälte, die unheilbaren Krankheiten, unfassbare sanitäre Verhältnisse und Krieg. Wir wollen eben diese gegensätzlichen Seiten zeigen und den beiden großen „Stars“, unseren kostbarsten Bildern, den zwei Brueghels, einen besonderen Platz geben. Und nachdem diese zwei Bilder – „Triumph des Todes“ und die „Kirmes“ – diese beiden Pole perfekt wiedergeben, eröffnen sie die Ausstellung im Eingangsraum. Und in den darauffolgenden 15 Räumen widmen wir uns unterschiedlichsten Themen dieser Zeit.

Für die beiden “Stars” der Ausstellung mussten eigene Klimavitrinen gebaut werden.

Monitoring der Klimapuffervitrinen

Wer hat die Planung des Projekts durchgeführt?
BK: Das waren Ulrich Becker, Christine Rabensteiner, Karin Leitner-Ruhe und ich. Wir haben Anfang Juni 2018 damit begonnen und insgesamt sechs Klausurtage gebraucht, um das Rohkonzept aufzustellen. Dann habe ich begonnen, alles in Form zu bringen. Dazwischen gab es aber noch viele kleine Fragen und Anpassungen: ob beispielsweise ein Objekt vorher noch restauriert werden muss oder nicht, ob es restauriert werden kann, ob es Platz hat etc. Dann ging es in die Umsetzungsphase, vor der alles mit dem gesamten Team besprochen wird, wie zum Beispiel Ablauf, Timing und Logistik, was wir bauen müssen und können, welche Veränderungen es in der Sicherheitstechnik braucht, wo wir neues Licht benötigen, wie wir die Klimavitrinen für die beiden Brueghels bauen etc. Da stand sehr viel Detailarbeit auf der Agenda, bevor es richtig losging.

Dann haben wir begonnen, die alte Hängung abzunehmen, die Leihgaben der Thyssen-Bornemisza-Stiftung für den Rücktransport vorzubereiten, vieles kam auch in unsere Depots zurück. Alle Kunstwerke durften ja im Winter aus klimatischen Gründen die Ausstellungsräume nicht verlassen, also mussten die Bauarbeiten gestaffelt durchgeführt und die Objekte jeweils in sichere Räume verbracht und dann wieder verlegt werden. Das braucht eine sehr exakte Logistik. (siehe Bericht zum Umbau)
Dann mussten wir gefühlte 1 Million Licht- und Farbproben machen und Tausende Dübel aus den Wänden holen, bevor wir neu streichen konnten. Daneben haben wir die Raum-, Klebe-, Hör- und Katalogtexte inklusive der Übersetzungen konzipiert.

Es werde Licht: Auch die Beleuchtung musste bis ins Detail geplant werden.

Daneben galt es die Raum-, Klebe-, Hör- und Katalogtexte inklusive der Übersetzungen zu konzipieren.

Wie kam es überhaupt zur Neuaufstellung?
BK: Die kam im Zuge der Leihgabe der Kaiserschild-Stiftung zustande, von der wir 2017 insgesamt 30 „Niederländer“ erhalten haben. Die vorherige Dauerausstellung war auch thematisch ausgerichtet, deshalb konnte man nicht einfach die neuen Leihgaben dazuhängen oder andere Objekte austauschen. Außerdem mussten wir unsere Leihgaben der Thyssen-Bornemisza-Stiftung nach 15 Jahren retournieren. Deshalb haben wir sozusagen alles „neu mischen“ müssen. Das war der eigentliche Auslöser für die Neuaufstellung.

Welcher Teil der Ausstellung gefällt Ihnen persönlich am besten? Haben Sie einen Favoriten?
BK: Das darf ich nicht haben. Das ist wie bei einer Mutter, die kein Lieblingskind hat (lacht). Nein, natürlich habe auch ich Favoriten, aber für mich sind immer jene Kunstwerke die spannendsten, die große Geschichten erzählen, die sehr viel Interpretation zulassen und mehrere Ebenen haben.

Können Sie abschätzen, wie viele Stunden Arbeit in der Neuaufstellung stecken?
BK:
Nein, ich bin keine Statistikerin. Viele Menschen hier sind seit Juni 2018 mit diesem Projekt beschäftigt, also viele Tausende Stunden stecken hier drinnen. Ich bin froh, dass wir ein so großartiges Team von Handwerkern und Technikern im Haus haben. Ohne sie wäre das alles nicht möglich. Sie haben hier unglaubliche Dinge entwickelt und mitgedacht, ich bin selig, denn ohne ein solches Team kann man so etwas nicht auf die Beine stellen.

Was ist das Wichtigste für den Erfolg der Ausstellung?
BK:
Der erste Eindruck, der von einem Raum vermittelt wird, ist der wichtigste. Denn das ist der Augenblick, in dem die Besucherin, der Besucher entweder berührt wird oder nicht. Wenn der erste Eindruck nicht funktioniert, dann ist es sozusagen vorbei, dann ist die Ausstellung fad. Die Räume müssen sich auch ein bisschen in ihren Stimmungen unterscheiden, erstens, um ihre Botschaft besser zu vermitteln und zweitens, um das Gehirn zu stimulieren. Denn wenn es nicht ständig einen kleinen Wechsel gibt und ein neuer Anstoß kommt, wird den Besucherinnen und Besuchern langweilig. Es gibt viele wichtige Dinge, die man berücksichtigen muss.

Endspurt: Am 25.4. eröffnet die Neuaufstellung der Alten Galerie “Zwischen Tanz und Tod. Episoden der Frühen Neuzeit”.

 

 

Fotos: Paul Schuster und S. Furgler

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