Außenrahmen der Grazer Engelspietà, Dauerleihgabe Diözesanmuseum Graz, Alte Galerie, Detail, Foto: Melitta Schmiedel

15. März 2017 / Paul-Bernhard Eipper

Wieder vereint: Die Grazer „Engelspietà“ in der Alten Galerie erhält ihren Originalrahmen zurück

Alte Galerie | Konservieren & Restaurieren

Nur selten haben Museen die Möglichkeit, Gemälde in eigens für sie geschaffenen historischen Zierrahmen zu präsentieren. In der Alten Galerie wurde dies nun möglich: Die „Engelspietà“ von Giulio Licinio (1571/72) wurde wieder mit ihrem Originalrahmen zusammengeführt, der rund 100 Jahre lang ein anderes Gemälde zierte.

Für den Altar der neuen Hofkapelle im 1854 niedergelegten Westflügel der Grazer Burg schuf der venezianische Maler Giulio Licinio (1527–1591) eine Engelspietà, die schon im Jahr 1820 im Inventar der Landesbildergalerie aufscheint. Dieses für Graz bedeutende Kunstwerk – bestehend aus dem Gemälde und dem dazugehörigen Originalrahmen – wurde 1880 in einer Nebenkapelle des Grazer Domes aufgefunden, wie der in Graz wirkende Kunsthistoriker und Geodät Josef Wastler 1882 beschreibt:

„Ich fand dasselbe vor zwei Jahren in einer aufgelassenen Kapelle über dem Hoforatorium des Grazer Domes, noch mit dem alten prächtigen Renaissancerahmen geschmückt an der Wand lehnen. Auf meine Anregung in einem öffentlichen Blatte wurde das Bild aus dem Versteck herausgezogen, der Rahmen neuvergoldet, und es hängt heute an der Wand des südlichen Seitenschaffes der genannten Kirche.“

Auf Wastlers Initiative wurde das Bild in das Schiff des Domes verbracht und es wurden auch statische Verbesserungen sowie eine Neufassung im Stil der Zeit um 1880 durchgeführt. Die ursprüngliche differenzierte Versilberung und Vergoldung ging dabei allerdings verloren, und auch der ursprüngliche Innenrahmen – in dem das Gemälde nun seit mittlerweile gut 100 Jahren präsentiert wird – wurde verändert. Die Abnahme der Ornamente führte bei der erneuten Montage nach deren Neuvergoldung zu Unstimmigkeiten.

Hofkapelle: Burgkapelle, Aquarell, 1855, Steiermärkisches Landesarchiv, Ortsbildersammlung (StLA-OBS-Graz-II-F-2-A-5-002), Reproduktion: Steiermärkisches Landesarchiv

Hofkapelle: Burgkapelle, Aquarell, 1855, Steiermärkisches Landesarchiv, Ortsbildersammlung (StLA-OBS-Graz-II-F-2-A-5-002), Reproduktion: Steiermärkisches Landesarchiv

Trennung von Bild und Rahmen um 1913

Seit 1913 befinden sich Bild und Rahmen als Dauerleihgaben des Diözesanmuseums Graz in der Alten Galerie. In dieser Zeit muss das Gemälde von seinem reichdekorierten Ädikula-Rahmen getrennt worden sein, denn seither wird es nur noch mit der Innenleiste des Zierrahmens präsentiert. Ulrich Becker, dem Sammlungskurator der Kulturhistorischen Sammlung, ist es zu verdanken, dass der historische äußere Zierrahmen wieder mit dem Gemälde vereinigt werden konnte: Anhand eines Aquarell von Carl Reichert, das die intakte Hofkapelle im Westflügel der Grazer Burg darstellt – und zwar im Zustand des Jahres 1853, also kurz vor deren Abbruch – konnte er die Zugehörigkeit des Bildes mit dem originalen Rahmen identifizieren. Bis 2017 wurde das Gemälde in der Alten Galerie lediglich mit dem schlichten Innenrahmen präsentiert, während dessen ursprünglicher Außenrahmen ein barockes Gemälde geringerer Qualität effektvoll rahmte (Anonym, 3. Viertes des 17. Jahrhunderts, Die Gottesmutter mit Rochus, Sebastian und Rosalia, Öl/Leinen, AG Inv.-Nr. 981).

In seinem Zusammenspiel ist dieses Kunstwerk ein wichtiges Denkmal der Grazer Hofkunst aus der Zeit der Gegenreformation, der die Alte Galerie im Jahr 2017 einen Schwerpunkt in ihrer Dauerausstellung widmet – ein willkommener Anlass, diesen einzigartigen Renaissancerahmen wieder zu reaktivieren und ihn mit jenem Gemälde zusammenzuführen, für den er geschaffen wurde.

Glücksfall

Doch warum ist es überhaupt so wichtig, dass ein Bild einen ganz bestimmten Rahmen bekommt? Tatsächlich unterstützt die epochengerechte Rahmung die Wirkung eines Bildes – weswegen nicht selten auf teure Rahmenkopien zurückgegriffen werden muss, wie bei Raffaels Sixtinischer Madonna in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dass Gemälde in eigens für sie gefertigten Rahmen präsentiert werden (können), darf als Ausnahme bezeichnet werden. Umso erfreulicher ist es also, dass die Grazer Engelspietà nun wieder ihren Originalrahmen erhält, der auch stilgeschichtlich interessant ist: Sein strenges Profil erinnert weniger an das späte, sondern vielmehr an das frühe 16. Jahrhundert, also an die Zeit Raffaels, wie zum Beispiel die Hl. Cäcilie in der Bologneser Pinakothek vor Augen führt.

Vor der Restaurierung des Rahmens wurde sein Zustand sorgfältig erfasst und dokumentiert. Anschließend erfolgte die Restaurierung: Nach einer lokal begrenzten Festigung und  verschiedenen Reinigungsmaßnahmen wurden Fehlstellen bzw. Ergänzungen an den Ornamenten gekittet und retuschiert. Schließlich wurde der Rahmenfalz verschliffen und mit Polyesterfilz ausgekleidet, und auch neue Aufhängungen wurden montiert.

Bild mit Rahmen: Giulio Licinio, Engelspietà im historischen Originalrahmen, Dauerleihgabe Diözesanmuseum Graz, Alte Galerie, Fotomontage: UMJ/N. Lackner

TIPP:

Beim „Tag der Restaurierung“ am 20.3.2017 im Joanneumsviertel wird Ulrich Becker über diese gelungene Wiedervereinigung sprechen!

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