5. Mai 2014 / Christoph Pelzl

Was kann das Kunsthaus Graz und was können wir von ihm erwarten?

Kulturpolitik

Peter Pakesch zur aktuellen Kunsthaus-Debatte

Mit dem Bau des Kunsthauses hat sich die Stadt Graz viel vorgenommen. 2003 war Graz Kulturhauptstadt Europas, eine eindrucksvolle Krönung einer (kultur-)politischen Strategie, die Teil einer großen Modernisierung von Graz und der Steiermark war. Mit diesem Schritt sind Land und Stadt, dem intendierten Aufbruch entsprechend, mitten in der europäischen Zeitgenossenschaft angekommen. Diese Positionierung ist auch als Auftrag verstanden worden: Mit der Errichtung des Kunsthauses Graz hat die steirische Kulturpolitik – auf Anregung und in Abstimmung mit den Verantwortlichen des Landes – die lange diskutierte Neuausrichtung des Landesmuseums Joanneum in Angriff genommen. Dieses war damals, wie sich vielleicht manche noch erinnern können, zu größten Teilen ein schlafender und verkrusteter Betrieb, der dem Land Steiermark in erster Linie Geld gekostet hat. Das Kunsthaus Graz wurde anfangs zum Motor der europaweit wohl spektakulärsten Neuorientierung eines regionalen Museums. Dieser auch politisch gewollte Prozess war eine besondere Erfolgsgeschichte.

Mehr als 500.000 Menschen besuchen jährlich die Ausstellungen des Universalmuseums Joanneum, im Jahr 2002 waren es noch 349.146. Die Stadt Graz wird – mit seinem Umland – auf rund 500.000 Einwohner/innen geschätzt. Wenn wir einen einfachen Vergleich anstellen, können wir sagen, dass Wien und Umgebung um die 5 Millionen Einwohner/innen zählt, dass aber die österreichischen Bundesmuseen trotz des in Wien viel höheren Tourismusanteils wohl kaum auf so eine relativ hohe Besuchszahl kommen.

Für das Universalmuseum Joanneum als Ganzes denken wir, von einer wirklich hohen Durchdringung der lokalen Publikumskapazität ausgehen zu können. Wir merken aber auch, dass wir „Opfer“ unseres eigenen Erfolgs sind: Als das neue Naturkundemuseum eröffnet wurde, mussten wir einen Rückgang der Besuche im Landeszeughaus feststellen, und auch die Wiedereröffnung der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel ließ im Jahr 2012 die Besuchszahlen im Kunsthaus empfindlich zurückgehen. Das sehen wir naturgemäß mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich sind wir daran interessiert, dass wieder mehr Besucher/innen in das Kunsthaus Graz kommen. Deswegen begrüßen wir es auch, wenn Diskussionsvorschläge und Anregungen auch seitens der Stadt Graz sich dieser Frage annehmen. Dass allerdings die Form, wie dies zurzeit geschieht, indiskutabel ist, muss wohl nicht nochmals ausgeführt werden.

Nun ist es aber so, dass ein Museum kein Eventbetrieb ist, und der Gang der Dinge in einer solchen Institution in der Regel auch keine „Personality-Show“. Ein guter Museumsbetrieb zeichnet sich durch komplexe Teamarbeit aus. Änderungen und Entwicklungen brauchen Zeit – und ebenso die Programmierung. Auf dieser Ebene ist, wie die internationalen Reaktionen zeigen, Sensationelles gelungen. Stimmen aus aller Welt setzen sich für das Kunsthaus, sein Team und sein Programm ein und zeigen damit, wie sehr die Grazer Kunstszene mit dem „Leuchtturm Kunsthaus“ in der heutigen Welt präsent ist. Eine Präsenz, die wir uns vor 10 Jahren nicht hätten vorstellen können.Vielleicht mangelt es an der ausreichenden Präsenz vor Ort, oder es gilt hier auch das Diktum, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt. Vielleicht haben wir falsche Schwerpunkte gesetzt, wenn wir danach trachteten, ein spezielles Vermittlungsprogramm für Schulen aufzuziehen, das gerade in Graz ganz besonders gut angenommen wird. Vielleicht lagen wir falsch, wenn wir uns das  Ziel gesetzt haben, die Besucher/innen des Kunsthauses mit dichten Informationen zu versorgen. Fast ein Drittel des zahlenden Publikums nimmt Führungen, Audioguides oder Workshops zu den Ausstellungen in Anspruch. Wir untersuchen sogar das Verhalten der „Nicht-Besucher“ – all jener Menschen, die nicht zu uns kommen – und erhalten auf diesem Weg interessante Rückschlüsse, die wir in weiterer Folge erfolgreich in unseren Vermarktungsstrategien einsetzen können. Wenn diese Diskussion hier weitere Bewegung bringt, begrüßen wir das sehr. Es ist wirklich nicht so, dass wir uns Möglichkeiten verschließen, mehr Menschen ins Museum zu bringen.

Allerdings gibt es auch andere Sachverhalte zu bedenken: Zeitgenössische Kunst ist, wenn sie ernst genommen werden möchte, nicht klar und selbstverständlich. Sie ist oft sperrig und zunächst unverständlich. Sie ist augenfälliges Nachdenken über unsere Gesellschaft, über unsere Umwelt, über unser Wesen, über Themen, die wir vielleicht noch gar nicht kennen. Kunst ist eine Schwester der Wissenschaft, und auch diese ist im ersten Moment meistens nicht einfach zu verstehen. Graz ist stolz darauf, eine Stadt der Wissenschaften und der Künste zu sein. Das bringt, wie wir inzwischen wissen, auch Wohlstand und Wachstum der Wirtschaft. Dafür wurden im Kunsthaus Graz Kapazitäten und Kompetenzen ausgebildet und aufgebaut, die weltweit Beachtung finden. Die Partnerschaften mit anderen Institutionen – lokal und international – können sehr viel darüber aussagen. Diese Qualitäten und Ressourcen infrage zu stellen, wäre ungefähr so problematisch wie in Zukunft die Forschungsfelder der Universitäten durch Volksabstimmungen zu regeln. Eventbetriebe dienen der Massenbelustigung, und davon hat Graz wohl genug. Ein Museumsbetrieb, ein Ausstellungshaus dient vielen anderen Zwecken. Die Publikumszahlen und die öffentliche Akzeptanz sind durchaus Parameter, die hier Beachtung finden müssen – aber bei Weitem nicht die einzigen.

Viele Urbanistik- und Wirtschaftsforscher betonen die Bedeutung der Verknüpfung der unterschiedlichen Aktivitäten einer Stadt. Kultur, Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft tragen in komplexer Weise zum Wachstum europäischer Städte bei. Graz liegt in diesem Zusammenhang sehr gut auf Kurs. Wollen wir das aufs Spiel setzen, oder wollen wir es sinnvoll weiterentwickeln?

Peter Pakesch,
Intendant des Universalmuseums Joanneum

Kategorie: Kulturpolitik
Schlagworte:

Ein Gedanke zu “Was kann das Kunsthaus Graz und was können wir von ihm erwarten?

  1. mk

    Leider wurden die Besuchszeiten der Museen verkürzt, so dass nach einem anstrengendem Arbeitstag nach 16.30 nichts zur Entspannung besichtigt werden kann. Graz ist abends und jetzt gerade im Sommer ohnehin schon eine langweilige menschenleere Flaute.
    Dringender Vorschlag: Zumindest 1 x pro Woche die Öffnungszeiten bis spätabends verlängern, wie es auch in Wien und anderswo üblich ist!

    • Christoph Pelzl

      Liebe(r)? mk,
      danke für das Kommentar. Leider mussten wir im Zuge des Sparparkets 2011 die Öffnungszeiten unserer Standorte einschränken, um den Ausstellungsbetrieb aufrechterhalten zu können. Allerdings passierte das nicht willkürlich sondern auf Basis einer umfangreichen Analyse und Auswertung der Besuchsstatistik sowie in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von Graz Tourismus.

      Wir würden uns ebenso eine Rückkehr zu den früheren Öffnungszeiten wünschen, vielleicht findet man hier im Rahmen der im September startenden Diskussionsrunden zum Kunsthaus Graz eine Lösung.

      Versuche, einmal pro Woche die Öffnungszeiten zu verlängern, gab es in der Vergangenheit mehrmals. Zuletzt auch im letzten Jahr an unterschiedlichen Standorten. Leider nutzten aber nur wenige Menschen die Möglichkeit eines abendlichen Museumsbesuchs, weshalb wir die Aktion wegen zu geringer Nachfrage vorerst wieder einstellen mussten.

      Wir halten Sie in jedem Fall am Laufenden!

      Herzliche Grüße
      Christoph Pelzl

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