„Skizze von der Oper aus: Roseggers Wohnung, hinten Mausoleum, Schloßberg. Brunnlechner“ Rosegger wohnte 34 Jahre im 3. Stock der Burggasse 16, gegenüber der Grazer Oper

„Skizze von der Oper aus: Roseggers Wohnung, hinten Mausoleum, Schloßberg. Brunnlechner“ Rosegger wohnte 34 Jahre im 3. Stock der Burggasse 16, gegenüber der Grazer Oper

19. Oktober 2018 / Bianca Russ-Panhofer

Sechs Monate Erdenleben in der Stadt und sechs Monate Paradies auf dem Lande

Peter Rosegger

„Mir gab das gütige Geschick alljährlich sechs Monate Erdenleben in der Stadt und sechs Monate Paradies auf dem Lande.“ Die Stadt-Land-Problematik bei Peter Rosegger.

Rosegger verbrachte die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens am Land. Als 22-Jähriger zog er nach Graz und besuchte die ländliche Heimat nur mehr in den Ferien. Später verbrachte er die Sommer regelmäßig in Krieglach, da er sich 1877 ein Sommerhaus, damals noch am Ortsrand, erbauen ließ. Die Herbst- und Wintermonate verbrachte er in der Grazer Stadtwohnung. Tägliche Spaziergänge in den Stadtpark konnten die Sehnsucht nach der Natur nicht gänzlich stillen, Müdigkeit und Abgespanntheit stellten sich im Laufe des Winters ein.

„Wer hätte in seinem Stadt- und Weltleben nicht manchmal das Gefühl tiefer Ermüdung und Verstimmung, ohne eigentlich die Ursache zu kennen! Ich leide gar manchmal unter solchen Stunden der Abspannung und des Unbefriedigtseins, habe dagegen aber einen Talisman. Ich öffne ein Kästchen an meinem Schreibtische, in ihm liegt ein eiserner Schlüssel. … es ist der Schlüssel zu meinem Sommerhause in der Waldheimat.“

Der Gedanke an das Haus im Grünen richtete ihn auf. Die Stadt wurde ihm immer lästiger, er langweilte sich, war mit sich unzufrieden und konnte den nahenden Frühling und die damit einhergehende Abreise nach Krieglach kaum erwarten. Dort genoss er dann jene Ruhe und Einsamkeit, die ihm die Stadt nicht bieten konnte, für ihn aber unverzichtbar waren. Aber auch ein ganzjähriger Aufenthalt am Land war für ihn nicht denkbar. Zum einen ließ es seine Gesundheit nicht zu, dass er auch den rauen Winter in Krieglach verbrachte, zum anderen brauchte er auch die geistige Regsamkeit, die ihm nur die Stadt bieten konnte, „wenn sie einen gewissen Grad nicht überschreitet und nicht nervös macht.“

Peter Rosegger, Erdsegen. Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes, Staackmann 1900. Der Wiener Journalist Hans Trautendorffer tauschte als Folge einer Wette sein Stadtleben gegen das Leben eines Bergbauernknechtes. Das harte Leben zerstörte seine idealisierte Vorstellung vom ländlichen Idyll. Aber er blieb als Bauer am Land und verzichtete auch nach Ablauf der Wette auf ein Leben in der Stadt.

Peter Rosegger, Erdsegen. Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes, Staackmann 1900.
Der Wiener Journalist Hans Trautendorffer tauschte als Folge einer Wette sein Stadtleben gegen das Leben eines Bergbauernknechtes. Das harte Leben zerstörte seine idealisierte Vorstellung vom ländlichen Idyll. Aber er blieb als Bauer am Land und verzichtete auch nach Ablauf der Wette auf ein Leben in der Stadt.

Dem Land kam also die Aufgabe zu, „geistige Unpäßlichkeiten“ auszugleichen. „Die im Frühjahr fast elementar gewaltige Abneigung gegen das Stadtleben“ begann dann während der Sommermonate nachzulassen und an „Spannung zu verlieren.“ Im Spätherbst reiste Rosegger wieder ab. Die Stadt empfand er zu Beginn wieder als behaglich, er konnte das Theater, die Kunst und feine Geselligkeit wieder genießen. Aber es dauerte nicht lange.

„Der hohle Prunk, der geistige Hochmut, der Tratsch im großen Stile, unfruchtbare, herzvergiftende politische Gehetze und soziale Gezänke, die Modetorheiten, die Impotenz der Kunst, die sich nur noch zur Verhöhnung der Sitte zu erheben vermag – alles das und vieles anderes noch widert mich an …“

Er kritisierte den Gegensatz von „üppigster Pracht und dem trostlosestem Elende“. In Beiträgen der Monatsschrift „Heimgarten“ berichtete er von ärmlichen Hütten und Spelunken zwischen neugebauten und prunkverzierten Häusern, bettelarmen Kindern auf der Straße und betrunkenen Männern und Frauen. Die Fabriksschlote stießen schwarzen Rauch aus und verpesteten so die Luft. Der ständige Lärm auf der Straße durch das starke Verkehrsaufkommen setzte ihm vor allem bei seinen Spaziergängen durch die Stadt enorm zu.

„Einst waren die Städte das Verfeinernde, Vergeistigende, jetzt werden sie bald das Gegenteil sein. Große Städte sind Eiterbeulen, an denen, wenn ihrer zu viele werden, die Menschheit zu Grunde gehen muß.“

Die Stadt war für ihn zum Niedergang der Kultur geworden, das Leben in ihr machte ihn nicht glücklich, aber er brauchte es trotzdem. Die Rosegger-Biografin Eva Philippoff bemerkte, dass das Stadtleben auf Roseggers Fantasie keinen günstigen Einfluss ausübte. Als Rosegger widmete er sich in seinen Schriften dem dörflichen Leben, unter dem Pseudonym Hans Malser verfasste er Geschichten, die die Stadt zum Ort des Geschehens machten. Philippoff meinte, seine Abneigung gegen die Stadt, die er als „Weltgift“ bezeichnete, „habe seine Beobachtungsgabe verdunkelt und ihn in einen imaginären, von perversen und verdammten Existenzen bevölkerten Kosmos abtreiben lassen, wo seltsam verknüpfte Schicksale unter dem Stern des Außergewöhnlichen und Zufälligen walten.“

Peter Rosegger, Weltgift, Staackmann 1903. Hadrian Hausler, Sohn eines Industriellen, war des Reichtums und Lebens in der Stadt überdrüssig und versuchte am Land als Bauer neu Fuß zu fassen. Es gelang nicht. Das „Weltgift“ hatte ihm bereits zu sehr zugesetzt, sodass er scheiterte.

Peter Rosegger, Weltgift, Staackmann 1903.
Hadrian Hausler, Sohn eines Industriellen, war des Reichtums und Lebens in der Stadt überdrüssig und versuchte am Land als Bauer neu Fuß zu fassen. Es gelang nicht. Das „Weltgift“ hatte ihm bereits zu sehr zugesetzt, sodass er scheiterte.

Zu jener Zeit begannen die Sozialwissenschaften das Leben der Menschen in den Großstädten zu beobachten. Ab 1870 wurde den Soziologen die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land bewusst und Schriftsteller wie Rosegger beteiligten sich an der einsetzenden Debatte. Er trat als Verteidiger des Landlebens auf, dessen Vorteile er in der Gemeinschaft mit dem vertrauten sozialen Umfeld sah. Auch sah er die ländliche Kultur als widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen, denen er selbst zunächst immer eher skeptisch gegenüberstand, bis er die Vorteile einiger Neuerungen kennengelernt hatte. Dass das Leben am Land jedoch nicht nur rosig war, vor allem für Angehörige der Unterschicht, verschwieg er aber nicht.

Er war überzeugt davon, dass es sich am Land gesünder und vor allem gesitteter leben lasse. Die städtische Kultur könne teilweise auch auf das Land verpflanzt werden, wo dann „der Bauer … die Errungenschaften der Civilisation genießen“ könne. Der Städter könne am Land ein gesünderes Leben führen, wobei es ihm nicht unbedingt darum ging, den Städter zum Bauern zu machen.

Rosegger erhielt immer wieder Zuschriften von meist jungen und mittellosen Städtern, die ihr Leben als Knecht oder Bauer am Lande zuzubringen beabsichtigten. Er warnte jedoch davor, da ein solcher Wechsel selten gut gehen würde, die meisten Städter seien für die harte Arbeit, ungewohnte Kost und grobe Umgangsweise der Bauern nicht geeignet:

„… die Landnatur ist nicht schön, wenn man in ihr hart arbeiten muß und die schlecht gekochten Mehlklöße im Magen liegen. Die Luft ist nicht gut, wenn die Kammern ungelüftet bleiben, das Wasser ist nicht gut, wenn seine Leitung durch Dunghaufen und Jauchen geht, die Leute sind nicht gut, wenn sie immer mit dem Elende der niedergehenden Wirtschaft zu tun haben.“

Das Landleben scheint nun plötzlich auch bei Rosegger nicht mehr so erstrebenswert zu sein. Zumindest nicht für mittellose Städter, die sich das bäuerliche Leben als Idylle dachten. Für diese hatte er die „Rückkehr zur Scholle“ ja auch nicht vorgesehen. Geld war notwendig, um eine moderne Wirtschaft betreiben zu können, bei der der Besitzer hin und wieder persönlich mit anpackte, um gegen die Verweichlichung des Körpers zu wirken. Unter solchen Neubauern konnte er sich dann auch „stadtflüchtige Dienstboten“ vorstellen.

Hans Malser, Vom Kreuzweg des Lebens. Novellistische Studien, Levy & Müller 1881.

Hans Malser, Vom Kreuzweg des Lebens. Novellistische Studien, Levy & Müller 1881.

Dass seine ablehnende Haltung gegenüber der Stadt und dem Leben in ihr nicht immer auf Zustimmung und Anerkennung stieß, verwundert nicht. Auf Vorwürfe, dass er nur am Land und im Bauerntum das wahre Heil sehen würde, reagierte er in der gewohnt pragmatischen Art:

„Es handelt sich nicht um die Gegensätze Bauer und Herr, sondern: Land u. Stadt. Ich sehe nicht ein, weshalb es nicht möglich sein soll, die besten Dinge unserer Kultur mit dem ländlichen Leben zu vereinigen u. dem verhängnisvollen Übergewicht geistiger Betätigung ein erkleckliches Maß körperlicher Arbeit entgegen zu stellen. Nicht als ob körperliche Arbeit Jeden nähren müßte, als vielmehr, weil sie zur Gesundheit u. Lebensfreud nötig ist. … Nicht, als ob auf dem Lande alles gut wäre, sondern weil es in den Großstädten noch unvergleichlich schlechter ist.“

Kategorie: Peter Rosegger
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