“Jochen Gerz. 63 Jahre danach”; Graz, Karmeliterplatz, Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark/colourspace

2. Juli 2014 / Elisabeth Fiedler

“Jochen Gerz. 63 Jahre danach”: KiöR-Leiterin Elisabeth Fiedler fordert Verlängerung bis 2018

Kunst im öffentlichen Raum

2008 war ein wichtiges Gedenkjahr im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus in Österreich, weshalb auf Initiative des Landes Steiermark vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark das Projekt 63 Jahre danach des international renommierten Künstlers Jochen Gerz umgesetzt wurde, der auch für sein Neudenken des Denkmalbegriffs berühmt ist.

Neben anderen Standorten (Feldbach, Gleisdorf, Köflach, Leoben, Selzthal, Wagna, St. Ilgen und Rein) in der Steiermark wurden auch in Graz (Freiheitsplatz, Burg, Schlossbergplatz, Am Eisernen Tor/Herrengase, Bischofsplatz, Augarten, Geidorfplatz, Karmeliterplatz, Am Eisernen Tor/Opernring und Hauptbahnhof) zehn von Gerz geschaffene Tafeln aufgestellt und am 13. März 2010 der Öffentlichkeit übergeben.

Von Jochen Gerz als permanente Installation konzipiert, sollte eine Aufstellungsdauer zumindest bis 2018 als selbstverständlich angesehen werden. Die erforderliche Aufstellungsgenehmigung erfolgte seitens des Straßenamts allerdings nur bis März 2012. Als Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark konnte ich bislang eine Verlängerung für je ein Jahr erwirken. Nunmehr liegt eine endgültig letzte Zustimmung des Straßenamts bis Ende Juni 2014 vor.

Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark bzw. das Universalmuseum Joanneum hatte nie vor, die Tafeln zu entfernen.

Weder die Stadt Graz noch das Land Steiermark haben sich durch eine angemessene Gedenkkultur ausgezeichnet. Ein verlängertes Weiterbestehen dieser Arbeit ist also sowohl Zeichen eines wachsamen Sensoriums gegenüber der Geschichte als auch der kritischen Reflexion gegenwärtiger und zukünftiger gesellschaftlicher Ausschließungsentwicklungen.

Eine Aufstellung bis 2018 – einem weiteren wichtigen Gedenkjahr –  ist für uns unabdingbar: Nicht nur, um ein entsprechendes Demokratieverständnis zu zeigen, sondern auch eingedenk einer Katastrophe, die nie mehr wieder stattfinden darf. Denn nicht eine/r allein kann eine solche auslösen – den Boden dafür bereitet eine Summe von Menschen, die gefährliche Entwicklungen zulässt und nicht wach und rechtzeitig dagegen auftritt.

Elisabeth Fiedler
Leiterin des Institutes für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

 

 

Weiterführende Links zur Debatte:

derstandard.at: “Erinnerungsprojekt von Jochen Gerz sorgt für Streit in Graz”  (01.07.2014)
kleinezeitung.at: “Leistung einer Zivilgesellschaft” (01.07.2014)
kleinezeitung.at: “Was stört, bleibt” (30.06.2014)
kurier.at: “Gedenkprojekt war nur befristet genehmigt: Aus für ’63 Jahre danach‘” (27.06.2014)
kleinezeitung.at: “Graz: Gedenkprojekt muss entfernt werden” (18.07.2014)
kleinezeitung.at: “Mut lässt sich nicht verordnen” (21.07.2014)

 

Kategorie: Kunst im öffentlichen Raum
Schlagworte:

Ein Gedanke zu ““Jochen Gerz. 63 Jahre danach”: KiöR-Leiterin Elisabeth Fiedler fordert Verlängerung bis 2018

  1. Bernhard Samitsch

    Die Tafeln von Gerz sind für mich Teil des Grazer Stadtgebietes geworden. Sie sind nicht nur eine künstlerische Auseinandersetzung mit Verdrängtem, sondern durch die Einbeziehung von Zeitzeugen, vielleicht wäre der Ausdruck Betroffener doch treffender, auch die Geschichte in der Historie. Das Erlebte, die Angst und Qual, die Unvernunft, der Drang schließlich nur zu Überleben, bildlich an den Orten dargestellt, sollte keine Diskussion auslösen, dass hier Geschichte geschrieben und erzählt wird. Dass sich hier die gute Heimatpartei (sic!) unter Redelsführer Eustaccio damit nicht identifizieren konnte, war vorhersehbar. Als Anmerkung sei mir gestattet, dass dem Herrn Straßenbaurat wohl bisher die Tafeln gar nicht aufgefallen sind. Vielleicht hat ihn die brillante, pointierte und von tiefsten Intellekt auch in Hinblick des heutigen Europa gehaltene Rede von Alfred Stingl anlässlich des Gedenkens zum 100-jährigen Attentat in Sarajewo gehalten, wieder einmal veranlasst, geschichtlich falsch zu denken. Viel mehr aber als das Denken rechter Steigbügelhalter hat mich das Verhalten der ÖVP erschüttert. Herr Bürgermeister Nagl hat ein neues Hobby entdeckt: die Kulturpolitik. Darüber hinaus steht aber das Geschichtsverständnis der Christlich-Bürgerlicherlichen ja eh auf schiefen Beinen. Warum also in Graz eine Ausnahme machen? Vielleicht war es ja auch gut, das Herr Eustaccio den Rathauspakt aufgekündigt hat. Sein Kulturverständnis reicht ja bis zu seinem Fenster, wo er das Billa-Eck beschallt. Oder er gibt sich sich als Möbelberater, wenn der Standard ihn zitiert: “Er wies darauf hin, dass man das Projekt schon mehrfach verlängert habe und die “Möblierung des öffentlichen Raums auch an seine formalen Grenzen” stoße.” Wo sind sie hin, die Visionen der ÖVP, als kulturell so ziemlich alles möglich war? Oder anders gefragt, gibt es einen in dieser Partei, der kulturelle Visionen vertritt?

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