Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek

27. September 2021 / Katia Huemer

Im langen Jetzt 2/2

Kunsthaus Graz

„How dare you?!“ Dieser Satz ist um die Welt und unter die Haut gegangen und beschreibt in drei einfachen Worten treffend die Gefühle junger Menschen angesichts der nahenden Klimakatastrophe. Was ist die die Rolle von Museen und Ausstellungshäusern, wenn es darum geht, die Zukunft der Menschen auf unserem Planeten zu sichern?

Idealismus kann beim Versuch, die Probleme unserer Welt in den Griff zu kriegen, keineswegs schaden. Unser Handeln im Jetzt ist für Vorgänge in der Zukunft verantwortlich, wobei diese Zukunft längst nicht mehr so weit in der Ferne liegt, wie es sich noch vor rund 20 Jahren anfühlte, als der niederländische Chemiker Paul Crutzen den Begriff „Anthropozän“ erstmals in den Diskurs um die menschengemachte Katastrophe einbrachte, auf die unser Planet ungebremst zusteuert.

Das Wissen darum, dass es für eine Richtungskorrektur bald zu spät sein könnte, verleitet dabei einerseits zu kleinen, nicht weit genug reichenden Klimaschutzmaßnahmen, die nur allzu gerne auf das einzelne, umweltsensible Individuum abgewälzt werden. So zieht jede Flugreise, jede mitgekaufte Plastikverpackung und jedes gegessene Stück Rindfleisch vielfach einen inneren Dialog mit dem eigenen Gewissen nach sich, während beispielsweise eine politisch gelenkte Abkehr von der klimaschädlichen Kohleenergie das große Problem der CO2-Emissionen mit einem Schlag drastisch entschärfen könnte. Andererseits führt das Wissen um den Ernst der Lage zu einem lähmenden Geisteszustand innerhalb der Gesellschaft.

Denn es ist keineswegs angenehm, in langen Zeiträumen zu denken und sich bei jeder noch so banalen Alltagshandlung, in der wir Energie verbrauchen oder Abfälle erzeugen (und wann tun wir das eigentlich nicht?) der Langzeitfolgen für unseren Planeten bewusst zu sein. War die Wirtschaftswundergeneration von ökonomischer und – unweigerlich damit verbunden – ökologischer Sorglosigkeit getragen, die sich zum Teil auch noch bei der Generation X (also den zwischen 1965 und 1975 Geborenen) durch ausgeprägtes Konsumverhalten bemerkbar macht, tragen die nachfolgenden Generationen nun eine schwere Last. Der emotional aufgeladene Vorwurf „How dare you!?“ der damals 16-jährigen Greta Thunberg an die Regierenden der Welt, die Klimaschutzpolitik jahrzehntelang zugunsten wirtschaftlicher Interessen zurückstellten und es bis heute tun, könnte die Gefühlslage nicht treffender beschreiben, die Freitag für Freitag unzählige junge Menschen auf die Straßen treibt, um für ihre eigene Zukunft zu demonstrieren.

Stichwort Protest: Etliche Museen haben sich inzwischen Museums for Future angeschlossen, einer unabhängigen Gruppe innerhalb der Fridays-For-Future-Bewegung, die ein Netzwerk von Museen koordiniert, die sich zu Klimabewusstsein bekennen und die Bereitschaft zeigen, „einen positiven Wandel voranzutreiben, um den ökologischen Zusammenbruch zu verhindern“[1]. Doch wie ernst ist es den Museen damit, eine „nachhaltige, gerechte und kulturell vielfältige Zukunft für alle zu sichern“[2]? Welche Rolle können Museen und Ausstellungshäuser für eine Bewusstseinsbildung innerhalb der Gesellschaft spielen, um das vielstrapazierte „Narrativ“ zu verändern, das zu weitreichendem Umdenken der Politik und zu einem ökologischen Lebensstil jeder*s Einzelnen führt? Und predigt nicht ausgerechnet der nur wenig nachhaltige Ausstellungsbetrieb Wasser, während er heimlich Wein trinkt?

Denn Stewart Brands Plädoyer für den Blick auf das lange Jetzt muss sich ebenso an jene Institutionen richten, zu deren Aufgaben das dauerhafte Bewahren von Kulturgut zählt. Denn kurzfristiges Denken, Schnelllebigkeit und wirtschaftlich orientiertes Handeln sind auch längst in der Museumswelt Usus. Auch wenn die Bereitschaft, vermehrt Verantwortung zu übernehmen, spürbar steigt, stehen ökonomischer und politischer Druck „echten“ ökologischen Maßnahmen häufig im Weg.

Und einmal mehr zeigt sich: Zeit ist Geld, und das ist im Kulturbetrieb knapp. So fällt die Wahl auf billigen Werkstoff für Ausstellungsgestaltungen, der schon aufgrund der schlechten Qualität eine Nachnutzung verunmöglicht und nach dem Abbau zumeist entsorgt wird. Ausstellungsobjekte reisen, verpackt in Luftpolster- oder Stretchfolie, in klimatisierten LKW, in Flugzeugen oder auf Containerschiffen um die halbe Welt, um der Öffentlichkeit im Dreimonats-Rhythmus spektakuläre Ausstellungen zu bieten. (Dies alles nicht zuletzt in der Hoffnung, die Schauen würden ausreichend Publikum anziehen, um die Fördergeber*innen aus Politik und Wirtschaft zufrieden zu stellen.)

Leihgeber*innen bestehen auf stabile Klimaverhältnisse – ungeachtet dessen, dass nicht alle Werke gleich empfindlich auf klimatische Schwankungen reagieren und das Halten von konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit den CO2-Ausstoß von Museen und Ausstellungshäusern durch den notwendigen Einsatz von Klimageräten auf ein Vielfaches steigert.

Doch auch wenn die Ökologisierung von Museen nur langsam voranschreitet und sich museale Richtlinien für den Umgang mit Kulturgütern nicht von heute auf morgen ändern lassen – es findet auch im Ausstellungsbereich ein Umdenken in Richtung Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit statt. Das Natural History Museum in London, das sich CO2-Neutralität bis zum Jahr 2035 zum Ziel gesetzt hat und dieses ambitionierte Vorhaben in mehreren Projektphasen aktiv verfolgt, kann als eines von vielen Beispielen genannt werden, wie sich die Museumswelt heute in ökologischen Belangen neu orientiert.

Zum Projekt: Sunscriber 

Grund zur Sorge und Grund zur Hoffnung – angesichts der derzeit herrschenden Realität im Ausstellungsbetrieb besteht also beides. Sorge darüber, dass die Maßnahmen, die viele Museen ergreifen, um ihr eigenes Tun ökologischer zu gestalten, vorwiegend einem Imagegewinn dienen, der aus verliehenen Umweltzeichen oder Reuse-Konzepten gezogen und enthusiastisch über die Social-Media-Kanäle der nunmehr „grünen“ Institutionen verbreitet wird. Und Hoffnung, da sich die meisten Museen und Ausstellungshäuser auf die eine oder andere Art mit dem größten und drängendsten Problem unserer Zeit beschäftigen, nachhaltiges Agieren zur Unternehmensidentität erklären, dementsprechend Schritte setzen – und es weiterhin tun.

[1] Vgl. Vision und Mission, https://museumsforfuture.org (Zugriff: 13.07.2021).

[2] Ebda.

Kategorie: Kunsthaus Graz
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