22. Juni 2015 / Christoph Pelzl

„Er hat Asien mit Europa verbunden“

Forschung

Heute, vor einigen Minuten (exakt um 15:40 Uhr), hob der erste Flieger von Graz aus in Richtung Istanbul ab. Zukünftig fliegen die Turkish Airlines vier Mal pro Woche von der Murstadt in die Stadt am Bosporus. Vom neuen Flugplan versprechen sich die Verantwortlichen vor allem Vorteile für Touristiker und die Wirtschaft.


Konstantinopel. Moschee Yeni Jami und Hagia Sophia, John F. Lewis, Lithographie (nach einem Gemälde von Coke Smith), 1835, Privatbesitz, Graz

Konstantinopel. Moschee Yeni Jami und Hagia Sophia, John F. Lewis, Lithographie (nach einem Gemälde von Coke Smith), 1835, Privatbesitz, Graz

Dabei gab es über Jahrhunderte hinweg ein Feindbild in Mitteleuropa: die osmanischen Türken. Schreckensmeldungen verbreiteten sich über den gesamten Kontinent, es kam zum Aufeinanderprallen zweier Zivilisationen. Dass das Morgenland nicht als Synonym für das Bedrohliche anzusehen ist, verdanken wir nicht zuletzt Joseph von Hammer-Purgstall.

Hammer wurde 1774 als Sohn eines Beamten in Graz geboren.  1787 kam er zum Studium nach Wien und dann als Sprachknabe nach Konstantinopel/Istanbul. Zwischen der Kaiserstadt Wien und der Hauptstadt des Osmanischen Reiches war das Verhältnis damals zwar nicht restriktionsfrei, doch war die Bedrohung zusehends der Faszination gewichen. Der Orient wurde außerdem zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses.

Der zum Diplomaten ausgebildete Hammer erwies sich als äußerst sprachbegabt und wissbegierig. Der Orient sollte bald im Mittelpunkt seiner Forschungs- und Übersetzertätigkeit stehen. Von einem ungeheuren Schaffensdrang getrieben, brachte es Hammer auf rund 800 Veröffentlichungen, darunter 69 Bücher! Sein wissenschaftliches Werk umfasst historische Schriften, philologische Abhandlungen, eine Literaturgeschichte der Perser, der Türken sowie der Araber. Hammers zehnbändige Geschichte des Osmanischen Reiches ist und bleibt ein Standardwerk, das auch in das Türkische übersetzt wurde und bis heute aufgelegt wird.

Dichter, Übersetzer, Wissenschaftler, Hofdolmetsch und Diplomat

Mit seinen Übersetzungen bewirkte Hammer einen Brückenschlag zwischen den Kulturen. Er übersetzte aus dem Arabischen, aus dem Persischen und dem Türkischen in verschiedene europäische Sprachen, so beispielweise die Erzählungssammlung „Tausendundeine Nacht“ in das Französische. Im Gegenzug legte er eine persische Übersetzung der auf Griechisch verfassten Betrachtungen des römischen Kaisers Marc Aurel vor.

 

Porträt Joseph von Hammer-Purgstall, Stich von Tommaso Benedetti nach einem Entwurf von Thomas Lawrence, © Universalmuseum Joanneum, Graz

Porträt Joseph von Hammer-Purgstall,
Stich von Tommaso Benedetti nach einem Entwurf von Thomas Lawrence, © Universalmuseum Joanneum, Graz

 

Hammers Liebe und Verehrung für den Orient resultierte hauptsächlich aus dem Studium von Texten, insbesondere dem der orientalischen Poesie. Diese enthielt für ihn das wahrhafte Destillat kultureller Identität.

In Konstantinopel/Istanbul, einer Schlüsselstadt im Leben Hammers,  hatte ihm ein Derwisch Verse des Hafis auf Persisch vorgetragen. Hammer war zutiefst beeindruckt.

Der aus Shiraz stammende Hafis (um 1320–1388) ist ein Dichter, in dem bis heute die Iranerinnen und Iraner einen unentdeckten Teil ihres kulturellen Gedächtnisses entdecken. Hammer übersetzte sein gesamtes Werk in das Deutsche und inspirierte damit Johann Wolfgang von Goethe zu seiner letzten großen Gedichtsammlung, dem „West-östlichen Divan“. Goethe ging in diesem Spätwerk über das Kennenlernen des „Anderen“ hinaus und versuchte, mit diesem in einen Dialog zu treten.

Brückenbauer zwischen Ost und West

Goethe bezeichnete Hammer als „außerordentlichen“ Mann, dem er viel zu verdanken habe, und er wandelte das Motto der „Fundgruben des Orients“ – der von Hammer herausgegebenen ersten orientalischen Zeitschrift im deutschsprachigen Raum – ab, wenn es im „Divan“ heißt:

„Gottes ist der Orient! Gottes ist der Okzident! Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände!“

1847 sollte Hammers lange und mit Beharrlichkeit gehegter Plan in Erfüllung gehen: die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hammer wurde ihr erster Präsident. 1856 starb Hammer, der das Schloss Hainfeld bei Feldbach zu seinem Refugium machte, in Wien.

 

Hammer-Grabmal in Weidling (Niederösterreich) Foto: Hannes D. Galter

Hammer-Grabmal in Weidling (Niederösterreich); Foto: Hannes D. Galter

 

Sein unbestrittenes Verdienst ist es, die Welt des Islam als für die Menschheit unverzichtbare Kultur anerkannt zu haben. Und so findet sich auf seinem Grabstein im niederösterreichischen Weidling zu Recht die Inschrift: „Er hat Asien mit Europa verbunden.“ [1]

Text: Gerhard M. Dienes

 

[1] nach Herodot (VII 33)

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