27. Februar 2019 / Barbara Steiner
Der Künstler, das Werk und die Ausstellung
Jun Yang befasst sich in seinen Arbeiten mit verschiedenen Formen von Identitätsbildungen und damit einhergehend mit Zuschreibungen und Definitionen, die wiederum mit Bewertungen verbunden sind. Was bedeutet es, als Österreicher, Europäer, Chinese oder Japaner definiert zu werden bzw. sich selbst zu definieren?
Jun Yang hat bei seiner Eröffnungsrede darauf hingewiesen, dass sich Bewertungen verändern.
Dies kann man am Beispiel Chinas trefflich beobachten: Waren Chinesinnen und Chinesen – auch in Österreich – in der gesellschaftlichen Hierarchie zunächst eher im unteren Bereich angesiedelt, so sind sie nun als zahlungskräftige Touristinnen und Touristen sowie Investorinnen und Investoren willkommen. Heute ist die VR China politisch und kulturell sehr präsent, kurzum: es handelt sich um eine Weltmacht mit entsprechendem Einfluss auf das globale Geschehen.
Doch Yang wendet sich nicht nur kulturellen Klischees und Stereotypen zu, wenn es etwa um China oder Österreich geht, sondern auch jenen des Kunstbetriebs selbst. Bei der Grazer Schau wird das Format der Einzelausstellung als solches künstlerisch und kuratorisch bearbeitet.
Üblicherweise ist damit die Vorstellung einer starken künstlerischen Identität verbunden, die sich über die Ausstellung eindeutig vermitteln soll. Es ist dann nicht mehr weit zur Überhöhung, Verklärung, ja Mystifikation des Künstlerseins, von Namen, Werken und des künstlerischen Schaffens ganz allgemein. In der Ausstellung Jun Yang. Der Künstler, das Werk und die Ausstellung wird nun der einzigartige Stellenwert des Künstlers auf verschiedenen Ebenen herausgefordert: über den Titel, die visuelle Kommunikation und die Beteiligung von anderen Autorinnen und Autoren. Letztendlich wird die Einzelausstellung von Yang zu einer kollektiven Unternehmung, an der viele teilhaben:
Erwin Bauer, Mike Kelley/Paul Mc Carthy, siren eun youn jung, Lee Kit, Oliver Klimpel, Michikazu Matsune, Yuuki Nishimura, Yuki Okumura, Koki Tanaka, Maja Vukoje, Jun Yang und Bruce Yonemoto – und ich auch. Wir alle haben über unsere Arbeiten jeweils eine spezifische Verbindung zu Yang. Manchmal ist er Auftraggeber, dann Co-Autor, Mitperformer, Anreger, Ideengeber, Designer/Ausstellungsgestalter oder sogar Gegenstand der Darstellung.
Der Werkbegriff durchläuft in der Ausstellung ebenfalls eine Transformation: Malerei, Fotografie, Zeichnung, Poster, Film, das jeweils klar identifizierbare und von seinem Umfeld deutlich unterscheidbare Werk facettiert und verräumlicht sich im Verlauf des Ausstellungsparcours. Am Beginn der Ausstellung klassisch, auf einem weißen Träger präsentiert, löst sich die Trennung zwischen Werk und Träger – Wand und Sockel werden selbst zum Werk – im selben Maße, wie Gattungsgrenzen zwischen Kunst und Design (Grafik, Ausstellungsdisplay) erodieren. Durchschreitet man die Ausstellung, gelangt man in eine surreal anmutende Zone, die Spiegelungen, echte und künstliche Schatten sowie Naturlicht und künstliches Licht verbindet.
Zusammengefasst: Die Ausstellung beginnt mit Konventionen der Einzelausstellung, einem starken Künstlersubjekt, einem deutlich identifizierbaren und klar zuordenbaren Werk, einer Kuratorin und endet mit einer Gruppenausstellung, einem ausdifferenzierten Werkbegriff, zwei Kuratoren und letztendlich auch zwei Jun Yangs. Dieser Logik folgend gibt es anstelle eines Plakates zur Ausstellung zwei für eine Ausstellung, also zwei grafische Identitäten (gestaltet von zwei Grafikteams).
Schlagworte: Logbuch Barbara Steiner