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Shouldn’t you be working? Das Kunsthaus Graz beleuchtet die Kehrseiten unserer Arbeitswelt in der Ausstellung „24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung“

 

Graz, 30.04.2024

 

Das Kunsthaus Graz setzt sich im Jahr 2024 intensiv mit dem Thema Arbeit auseinander. In Zeiten von permanenter Erreichbarkeit und Homeoffice sind traditionelle Arbeitszeiten längst nicht mehr die Norm. Es kann 24/7 gearbeitet werden. In der Ausstellung 24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung, die bis Jänner 2025 zu sehen sein wird, werden die komplexen Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt aufgegriffen.

 

In 30 künstlerischen Arbeiten spiegelt sich die Breite des Themenspektrums wider: unsichtbare Arbeit, die Ausweitung des Niedriglohnsektors, die fortschreitende Automatisierung, Ungleichheit, die Vereinbarung von Beruf und Privatleben, Digitalisierung und Globalisierung und nicht zuletzt die prekären Bedingungen, unter denen Künstler*innen arbeiten. Die Ausstellung wird während der Laufzeit stetig wachsen und durch Neuproduktionen und performative Projekte ergänzt.

Martin Grabner (kuratorische Assistenz), Andreja Hribernik (Direktorin Kunsthaus Graz) und Katia Huemer (Kuratorin) in der Ausstellung "24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung" im Kunsthaus Graz. Die Arbeiten: Aldo Giannotti "Museum Encounters" (links) und Luiza Margan "Cache" (rechts). Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek © Bildrecht, Wien 2024

Feministische Perspektive von Ungleichheit und Ausbeutung

„Flexibilität“ in der Arbeitswelt wird nicht mehr zu beiderseitigem Vorteil ausgehandelt, sondern einseitig von den Arbeitnehmer*innen erwartet. Trotz – oder gerade wegen – der scheinbaren Freiheit von starren Strukturen und Stechkarten kämpfen viele Arbeitnehmende weiterhin um gerechte Bedingungen. Unsichtbare Arbeit wie unbezahlte Haus- und Fürsorgearbeit, zum allergrößten Teil noch immer von Frauen geleistet, ist auch gegenwärtig ein gesellschaftliches Problem und zeigt die Notwendigkeit feministischer Perspektiven in der Arbeitsdebatte.

 

Mit der zunehmenden Prekarisierung der Arbeit und der Ausweitung des Niedriglohnsektors differenziert sich die Arbeitswelt immer stärker in einen Bereich von gut entlohnten und sicheren Positionen sowie einen Bereich von unterfordernden, unsicheren und existenziell bedrohlichen Beschäftigungsverhältnissen, der Klasse der „Working Poor“. 

 

Zeit ist Geld

Gleichzeitig sind Begriffe wie New Work, 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance in aller Munde. Sind das nur leere Worthülsen oder realistische Themen in einer Zeit höchster Belastung? Welche Auswirkungen hat die Priorisierung der Wirtschaft in der Gesellschaftspolitik? Bleibt Benjamin Franklins berühmte Maxime „Zeit ist Geld“ auch heute noch gültig, wenn der in der Leistungsgesellschaft weitverbreitete Glaubenssatz, dass man lebt, um zu arbeiten, zunehmend ins Wanken gerät? Und auch die zunächst attraktiv erscheinende Umkehrung – man arbeite, um zu leben – bedeutet vor allem eine Reduktion von Arbeit auf eine rein ökonomische Notwendigkeit.

 

Fortschreitende Technisierung erfordert neuen Diskurs

Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind komplex und vielschichtig. Sie spiegeln die Anpassungsfähigkeit und die anhaltende Suche nach Gleichgewicht in einer sich ständig verändernden Welt wider. In einer nicht zu fernen Zukunft werden Technologien wie KI und eine noch weiter fortschreitende Automatisierung vieler Aufgaben die Arbeitswelt weiter verändern und Herausforderungen mit sich bringen, die erneut einen sozialen und politischen Diskurs erfordern. Doch steht die Arbeit wirklich an der Schwelle zur Immaterialität? Oder besteht vielmehr die Gefahr, dass unsere körperliche, geistige und emotionale Arbeit in der KI-Euphorie vergessen wird? Sorgt die fortschreitende Technisierung paradoxerweise dafür, dass wir mehr arbeiten, oder kann harte körperliche Arbeit möglicherweise bald gänzlich von Maschinen übernommen werden?

 

In der postfordistischen Gesellschaft, die durch Flexibilisierung, Individualisierung und Globalisierung gekennzeichnet ist, verschwimmen die Grenzen zwischen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung – insbesondere im Bereich der Kunst- und Kulturarbeit. Vor allem Künstler*innen sehen sich häufig mit Herausforderungen durch prekäre Arbeitsbedingungen konfrontiert, die von unsicheren Arbeitsverhältnissen bis zur unzureichenden Bezahlung reichen können.

Im Vordergrund die Arbeit "Mischmaschine 2021/2024" von Pia Mayrwöger. In ihrer Auseinandersetzung mit verschiedenen Maschinen untersucht Mayrwöger mit feinem Humor das arbeitsteilige Zusammenspiel von Mensch und Maschinen, sich verändernde Produktionsmethoden und Arbeitsabläufe. Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek © Bildrecht, Wien 2024

30 künstlerische Arbeiten, Neuproduktionen und performative Kunstprojekte

Die heutige Arbeitswelt steht vor einer Vielzahl von komplexen Herausforderungen und Diskussionen – von Fragen der Ungleichheit, der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz und der Vereinbarung von Beruf und Privatleben bis hin zu Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel. Die Breite dieses Themenspektrums spiegelt sich in der Ausstellung 24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung in 30 künstlerischen Arbeiten wider, die sich mit unterschiedlichen Facetten dessen befassen, womit Arbeitende und Nicht-Arbeitende in der heutigen Gesellschaft konfrontiert sind.

 

Ein Teil der Ausstellungsfläche steht Neuproduktionen und performativen Kunstprojekten zur Verfügung, die die Ausstellung während ihrer Laufzeit wachsen lassen. So wird etwa der Künstler Santiago Sierra zwei Tage lang (1. Mai und 28. September) mit zwei Personen mit Zuwanderungsgeschichte die Dauerperformance Repetition of the writing of a phrase aufführen – in Kooperation mit dem Verein ISOP. Das Künstler*innen-Duo KURS wird in mehreren Phasen an der Wandinstallation We have always received something in exchange that we lived arbeiten, in der es sich dem Thema Arbeit durch den Begriff der Faulheit nähert.

 

Am 14. Juni stellt der britisch-kanadische Medienkünstler Sam Meech in seiner einen ganzen Arbeitstag dauernden Performance Punchcard Economy: 8 Hours Labour mit einer Strickmaschine ein Banner her, das die große Errungenschaft des Arbeitskampfes, den Arbeitstag auf acht Stunden zu begrenzen, thematisiert. Neben legendären Kunstwerken im Kontext Arbeit wie Semiotics of the Kitchen von Martha Rosler aus dem Jahr 1975, Harun Farockis Arbeiter verlassen die Fabrik von 1995 und Tehching Hsiehs One Year Performance, 1980–1981, in welcher der Künstler ein Jahr lang jeweils zur vollen Stunde eine Stechuhr betätigte, zeigt die Ausstellung neue und adaptierte Arbeiten von Michail Michailov, Luiza Margan oder Aldo Giannotti.

Ein radikaler Akt der Befreiung von Selma Selman: Die Zerstörung der Staubsauger - für die meisten Frauen ein Symbol unsichtbarer, unbezahlt geleisteter Arbeit. (rechts) Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek

Kooperation mit dem Museum für Geschichte

Unter dem Titel Alles Arbeit erzählt das Museum für Geschichte parallel zur Ausstellung im Kunsthaus Graz anhand von historischen Pressefotografien aus der Agentur Foto Blaschka von der Schieflage in der Arbeitswelt und den massiven Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, die zum Teil bis heute bestehen. Ein gemeinsam produzierter Film von Lia Sudermann und Simon Nagy sowie häuserübergreifende Führungen schlagen die Brücke zwischen diesen beiden Ausstellungen.

 

Künstler*innen der Ausstellung:

Maja Bajević, Julien Berthier, Louisa Clement, Manuel Correa & Marina Otero Verzier, Jeremy Deller, Antje Ehmann & Harun Farocki, Aldo Giannotti, Liam Gillick, Lisa Großkopf, Andreas Gursky, Theresa Hattinger & Michael Hieslmair & Michael Zinganel, Tehching Hsieh, Johanna Kandl, Peter Kogler, KURS (Miloš Miletić, Mirjana Radovanović), Luiza Margan, Pia Mayrwöger, Sam Meech, Michail Michailov, Elisa Giardina Papa, Nika Radić, Martha Rosler, Sebastian Schmieg & Silvio Lorusso, Christoph Schwarz, Selma Selman, Santiago Sierra, Lia Sudermann & Simon Nagy, Oliver Walker

 

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24/7
Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung

Eröffnung: 30.04.2024, 19 Uhr
Mit einer Performance der Slampoetin Agnes Maier

Laufzeit: 01.05.2024‒19.01.2025
Kuratiert von Katia Huemer   
Ort: Space02
Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

www.kunsthausgraz.at 

 

Bildmaterial zum Download und den ausführlichen Pressetext finden Sie unter:

WORK WORK WORK


 

Veranstaltungshinweise für den „Tag der Arbeit“


01.05.2024, 13–17 Uhr
Santiago Sierra Repetition of the Writing of a Phrase

Menschen migrantischer Herkunft schreiben stundenlang den Satz „Ich werde niemals einem Europäer / einer Europäerin die Arbeit wegnehmen“. Santiago Sierras provokante Performance thematisiert soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten wie die Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen und durchbricht gesellschaftliche Tabus, um Bewusstsein für politische und soziale Missstände zu schaffen.
 

01.05.2024, 11-13 Uhr
HALBE/HALBE

Rundgang durch die beiden Ausstellungen im Kunsthaus und im Museum für Geschichte zum Thema „Was feiern wir am 1. Mai?“


 

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Daniela Teuschler

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Eva Sappl

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